Der Gitano. Abenteuererzählungen
vermag vielleicht Licht in die schwarze Dunkelheit zu bringen.«
»Pa –« fiel hier der Graf wegwerfend ein. »Um hier klar sehen zu können, dazu bedarf es keines deutschen Diplomaten. Dieser Mann ist durch ein gefälschtes Billet zur Gräfin bestellt worden, um Juwelen vorzuzeigen. Die Gauner haben sich in Abwesenheit der Dame mit Hülfe von Nachschlüsseln einzuschleichen vermocht und ihm die Kostbarkeiten abgenommen. Der Coup ist mit einer außerordentlichen Frechheit entworfen und ausgeführt worden; das Uebrige aber geht Niemanden Etwas an, sondern ist Sache der Polizei.«
»Das ist Ihre Meinung, Graf,« erwiderte von Felsen kalt und überlegen. »Die meinige aber lautet anders. Erzählen Sie, mein Herr!«
Der Juwelier wiederholte seinen Bericht und endete mit der Klage:
»Ich bin ruinirt für alle Zeit, wenn die Thäter nicht entdeckt und die Juwelen nicht gerettet werden.«
»Beruhigen Sie sich,« sagte der Baron. »Vielleicht sind Sie schon heut oder morgen wieder in dem Besitze derselben!«
»Ah –« dehnte der Graf verächtlich, »die deutsche Diplomatie scheint allmächtig zu sein!«
»Das nicht,« klang die scharfe Erwiderung, »aber ehrlich und scharfsinnig genug, um sich weder durch Schönheit noch durch Titel und Anmaßung blenden zu lassen. Ich nehme an, daß die Thäter entweder selbst hier im Hause wohnen oder ihre Mitschuldigen hier haben.«
»Hahaha,« lachte der Graf. »Meinen Sie vielleicht, daß auch ich eine Rolle dabei übernommen habe?«
»Selbst wenn ich dies meinte, Graf, würde doch in Folge Ihrer Stellung jede Anklage von vorn herein erfolglos sein.«
»Herr Baron,« fiel die Gräfin ein, »ich kenne meine Leute; Niemand von Ihnen ist einer solchen That fähig. Ich pflege mich nur mit gläubigen Seelen zu umgeben, denen selbst die kleinste Sünde ein Greuel ist.«
»Meine Gnädige, ich achte und liebe die Frömmigkeit, wenn sie wahr ist und aus dem Herzen kommt; ist sie aber erheuchelt, so wird sie gefährlicher als die größte Gottlosigkeit. Gestatten Sie mir, Sie von einer Schlange zu befreien, welche Sie an Ihrem Busen nährten!«
Er trat zum Schranke und öffnete ihn.
»Eine Diebin hat hier ihre Rolle gespielt und dieses Kleid dabei getragen. Sie sehen, es ist nur in höchster Eile wieder an seinen Platz gehängt worden. Die Gaunerin hat sich mit Hülfe von falschen Haaren u.s.w. der gnädigen Frau ähnlich gemacht, und nun, bitte, bemerken Sie die Spuren davon noch deutlich in diesem erbleichenden Gesichte! Fräulein Wanka, Sie hätten sich sorgfältiger reinigen sollen!«
Ein Schrei drang von Aller Lippen. Der Graf wollte sich auf den Sprecher werfen; die Gräfin hob abwehrend die Arme empor, und die Angeschuldigte trat mit beleidigter Miene einen Schritt zurück, um den Baron ihre Verachtung in das Gesicht zu schleudern; aber Keins von den Dreien kam dazu, seine Absicht zu erreichen, denn in diesem Augenblicke stand ein Polizeikommissär vor der Gesellschafterin und die sämmtlichen Eingänge waren von seinen Untergebenen besetzt.
»Mein schönes Töchterchen,« meinte er lächelnd, »dieser Mann hier hat Dir ein paar schöne Armspangen mitgebracht; erlaube, daß ich sie Dir schenke!«
Sie wurde gefesselt. Niemand wagte, zu widerstehen.
»Graf,« unterbrach der Baron die Stille der allgemeinen Erstarrung, »ich ließ Iwan Wessalowitsch verhaften, als er mit dieser frommen Dame aus dem Garten schlich. Die Juwelen, die sie bei sich hatten, können nun nicht in Gold und Noten umgesetzt werden, sondern kommen in die Hände des rechtmäßigen Besitzers zurück. Die deutsche Diplomatie hat ganz dieselbe Ansicht wie Comtesse Paulowna: Sie arbeiteten in diesem Hause umsonst!« – – –
3.
Ueberlistet
Der Oberst, Graf von Milanow saß in einem Zimmer seines Palais zu Petersburg und beschäftigte sich sehr angelegentlich damit, den Rauch seiner duftenden Cigarre in wohlgeformten Ringeln gegen die Decke zu blasen. Er schien sehr guter Laune zu sein, wie seine aufgeheiterte Miene bewies, und diese fröhliche Stimmung wurde erhöht, als sich leise die Thür öffnete, um einem Wesen Eintritt zu gestatten, wie es liebreizender und verführerischer wohl kaum gedacht werden konnte. Das leichte, durchsichtige Gewand ließ die herrlichen Formen mehr erblicken als errathen, und die Weise, wie das schöne Wesen sich in seine Arme schmiegte, hätte wohl auch einen Anderen, als er war, nicht kalt gelassen.
»Wanka, Du wirst von Tag zu Tag reizender!«
»Und Du von Tag zu Tag
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