Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Gitano. Abenteuererzählungen

Der Gitano. Abenteuererzählungen

Titel: Der Gitano. Abenteuererzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
liebenswürdiger.«
    »Kann man Dir gegenüber anders sein?«
    »Schmeichler!«
    »Engel!«
    »Geh’! Zu diesem heiligen Stande fehlt mir die Begabung!«
    »Nicht doch! Du hast die nöthigen Talente bei der alten Smirnoff wundervoll entfaltet.«
    »Doch nur, um mich dann als Teufel oder Drache zu entpuppen. Wie schade, daß der Streich mißlang – die herrlichen Juwelen –!«
    »Die Hunderttausende, die sie an Werth besaßen! Ich hätte mit ihnen meinen Gläubigern den Mund gestopft.«
    »Und mir wäre die armselige Haft erspart geblieben, an die ich lebenslang gedenken werde.«
    »Und die Verbannung nach Sibirien.«
    »Pah! Der Günstling eines Zaaren ist allmächtig.«
    »Inwiefern, Du holde Zuversicht?«
    »Ich bekam ein Pulver in mein Gefängniß geschickt und – nahm es ein. Ich mußte darauf schlafen, fest und lange, und als ich erwachte, war ich bei Dir. Aber sag, ist Iwan auch frei?«
    »Ja.«
    »Und wo befindet er sich?«
    »Im Auslande für immer.«
    »Welches Aussehen muß unsere Befreiung erregt haben?«
    »Keines. Die Behörde weiß es nicht anders, als daß Ihr nach Sibirien transportirt und unterwegs entsprungen seid.«
    »Könnten wir doch diesen impertinenten Deutschen mit seiner schmachtenden Paulowna an unserer Stelle dorthin schicken!«
    »Meinst Du –?« dehnte der Graf mit einer Miene, über welche ein mephistopholisches Lächeln zuckte.
    »Ja, wenn es möglich wäre.«
    »Sagtest Du nicht soeben, der Günstling eines Zaaren sei allmächtig?«
    »Das soll heißen?«
    »Unsere Wünsche begegnen sich wie immer, so auch hier.«
    »Ah –!«
    »Du kennst meine Verhältnisse. Die Gräfin Smirnoff ist gestorben, man sagt, in Folge der Aufregung, in welche sie damals durch die Enttäuschung über Deine Frömmigkeit versetzt wurde. Dieser Baron Felsen hat Paulowna geheirathet, natürlich mit ihrem ganzen, unermeßlichen Vermögen. Begegnete ihnen etwas Menschliches, so – gehörte die Grafschaft mir.«
    »Folglich?«
    »Was, folglich?«
    »Nun, war Deine Rede nicht ein Vordersatz?«
    »Vielleicht.«
    »So bin ich begierig, den Nachsatz zu hören.«
    »Kannst Du ihn Dir nicht denken?«
    »Seine Art und Weise wohl, nicht aber seinen Inhalt.«
    »Wolltest Du die Beiden nicht nach Sibirien schicken?«
    »Mit Vergnügen. Aber wie?«
    »Durch ein Verwechselung.«
    »Ah, das ist originell! Aber mit wem?«
    »Mit – rathe einmal.«
    »Ich rathe es nicht. Mit –?«
    »Mit Iwan und Dir.«
    »Mensch, Du bist entweder ein Teufel oder ein großes Genie.«
    »Keines von Beiden, aber ich muß diesem Deutschen beweisen, daß seine Diplomatie sich mit der russischen Klugheit nicht zu messen vermag.«
    »Aber man wird, man muß die Verwechslung entdecken!«
    »Gewiß, aber zu spät. Es ist noch Winter; sie halten die fürchterliche Anstrengung nicht aus, sie sterben, sie – pah, ich bin der Erbe und werde die Sache also schon zu arrangiren wissen!«
    »Es gehört sehr viel Muth und noch mehr Klugheit dazu.«
    »Ich versichere Dir, daß keins von Beiden fehlt. Uebrigens hast Du diesen Gedanken nicht etwa in mir erweckt; er war schon längst vorhanden, und seine Ausführung ist schon so weit vorbereitet, daß ich nur noch auf den geeigneten Zeitpunkt warte.«
    »Wann wird dies sein?«
    »Wenn der Baron nach Taschka reist.«
    »Was ist Taschka.«
    »Eines seiner Güter. Es liegt jenseits der Dwina und liegt mitten in den herrlichsten Forsten. Er war noch nicht da, und ich weiß aus sicherer Quelle, daß er in Begleitung seiner Frau, vielleicht schon in wenigen Tagen, hingehen wird, um einige große Jagden abzuhalten.«
    »Jetzt begreife ich. Nur deshalb hat es geheißen, daß wir auf der Flucht nach Sibirien entsprungen seien.«
    »Dein Scharfsinn bringt Dich auf die richtige Spur. Einen kaiserlichen Erlaß zu erhalten ist mir leicht, und selbst wenn das nicht wäre, so kann ich stets zu den Blanquets des kaiserlichen Sekretariats.«
    »Wäre ich doch auch der Günstling irgend eines hohen Herrn!«
    »Bist Du es denn nicht schon?« frug er, mit ihrem aufgelösten Haare spielend.
    »Wohl der Deinige?«
    »Ich denke.«
    »Dann ist mir wohl auch nichts unmöglich?«
    »Blos das, was absolut unmöglich ist.«
    »Darf ich eine Probe machen?«
    Er nickte zustimmend.
    »Wo wird die Verwechslung stattfinden?«
    »An der Dwina.«
    »Welche Freude, den Spaß mit ansehen zu können!«
    »Deine Bitte ist Dir gewährt. Ich hätte mir auch ohne sie die Genugthuung nicht versagt, sie im Schlitten der Verbannten zu sehen und ihnen

Weitere Kostenlose Bücher