Der Gitano. Abenteuererzählungen
sah!«
»Nun?«
»Wanka, die Gesellschafterin.«
»Nicht möglich; Du hast Dich geirrt!«
»Keineswegs; sie war es sicher und gewiß. Ich hörte später sogar auch ihre Stimme.«
»Das wäre ja ganz außerordentlich!« meinte Paulowna.
»Dem Obersten ist Alles zuzutrauen,« wendete der Baron ein. »Er war unbedingt der Mitschuldige der beiden Gauner, wie mir das Gespräch derselben an der Gartenpforte bewies Er vermag viel und – kann sie gerettet haben. Iwan ist verschwunden; Wanka ist schön; sie dient ihm als Zeitvertreib, bis – bis sie ihm lästig wird. Und das Gerücht von dem Entspringen auf der Reise nach Sibirien wurde ausgestreut, um seinen jetzigen Coup einzuleiten. Je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr glaube ich, daß Du Dich nicht geirrt hast, Feodor. Aber dann ist der Oberst verloren. Seine Reise geht durch Taschka, wo ich Gerichtsherr bin; ich eile ihm voraus und werde seine und die Identität der Gaunerin feststellen. Der Kaiser soll den ganzen sauberen Plan erfahren!«
Er reichte Paulowna den Arm, um sie zum Souper zu führen. Nur der Wirth war bei demselben anwesend. Es ging sehr einsilbig zu, und die Speisen wurden kaum berührt. Der Baron versicherte, daß er und viel mehr seine Gemahlin sehr ermüdet sei und erhob sich, gute Nacht wünschend.
In ihre Zimmer zurückgekehrt, legte sich die Baronin zur Ruhe; von Felsen aber löschte sein Licht aus und harrte im Dunkeln auf Georg. Es vergingen einige Stunden, ehe dieser kam.
»Herr Baron es ist gelungen!«
»Wirklich?«
»Ja. Der Oberst hatte die Brieftasche mit den Papieren in der Tasche seines Pelzes. Hier ist sein Paß, an dessen Stelle sich der Ihrige befindet!«
Der Baron brannte das Licht an, um sich von der Aechtheit des Documentes zu überzeugen.
»Es ist richtig, hier haben Sie die Note.«
»Danke! Noch Eins. Acht Uhr Morgens ist es noch finster. Sieben ein halb Uhr wird der Oberst abreisen, um Ihnen drüben zu begegnen, wenn Sie sich im Transportschlitten befinden.«
»Ah, er will auf mich warten und sich an meinem muthmaßlichen Grimme weiden. Ihrer Hülfe habe ich es zu verdanken, daß es anders kommt. Wann werden Sie Ihren Dienst verlassen?«
»Wahrscheinlich schon im Frühjahre.«
»Sollten Sie irgend welcher Hülfe bedürfen, so sprechen Sie in Petersburg bei mir vor. Gute Nacht!«
»Werde nicht verfehlen. Gute Nacht!« – – –
Noch ruhte am andern Morgen tiefe Dunkelheit auf der Umgebung des Schlosses, als ein Schlitten leise aus dem Thore desselben gelenkt wurde. In seinem Innern saß der Oberst mit Wanka.
Im Walde angekommen, welcher sich bis zur Dwina zog, hieb der Kutscher auf die Pferde ein, die sich sofort in den ihnen geläufigen gestreckten Galopp setzten.
»Endlich, endlich sind wir der Genugthuung nahe!« meinte der Oberst.
Wanka schwieg, aber ihre Freude über die nun sicher gelingende Rache war eine nicht geringere als die seinige.
Der Schnee leuchtete; der Morgen dämmerte herein. Es war vollständig hell, als der Schlitten das Ufer des Flusses erreichte. An dem jenseitigen waren mehrere in regelmäßigen Intervallen aufgestellte Posten zu sehen, welche sich bei dem Anblicke des Schlittens an einem diesem grad gegenüber liegenden Punkte vereinigten.
»Fahr zu. Das Eis hält!« gebot der Oberst.
Der Schlitten ging im Trabe über den Fluß. Auf der jenseitigen Höhe angekommen, gewahrte der Oberst ein zweites Geschirr, welches in der Nähe unter den Bäumen hielt.
»Halt!« gebot der Anführer der Kossaken.
Der Kutscher gehorchte dem Rufe.
»Den Paß!«
Der Oberst zog die Brieftasche hervor, nahm den Paß heraus und reichte ihn hin. Der Offizier warf einen Blick hinein.
»Aussteigen!«
»Wieso?«
»Aussteigen!«
»Wieso, frage ich?«
»Aussteigen, sage ich!«
»Oho, den Grund will ich wissen!«
Der Offizier langte ruhig nach seinem Sattel, um den Kantschu loszumachen.
»Aussteigen, sonst helfe ich nach!«
»Was soll die Knute? Fort mit ihr, und zwar augenblicklich! Der Oberst, Graf von Milanow könnte Euch sonst schlecht verstehen!«
»Oberst –? Graf Milanow? Ist das Ihr Paß?«
»Ja.«
»Wirklich?«
»Zum Teufel, ja.«
»Schön! Hier steht Baron von Felsen nebst Gemahlin. Heraus aus dem Schlitten! Ich bin Hetman und weiß, was ich zu thun habe.«
Er hielt dem Obersten den Paß vor das Gesicht. Dieser las die Namen; ein fürchterlicher Schlag durchzuckte seinen Körper, und ehe er sich nur auf Gegenwehr besinnen konnte, war er seiner Waffen beraubt, mit seiner
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