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Der Gitano. Abenteuererzählungen

Der Gitano. Abenteuererzählungen

Titel: Der Gitano. Abenteuererzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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der Dichter, den zu erwähnen Ihr so gütig wart, weiß nur zu gut, welche Schwächen seine Arbeiten zeigen, weil sein einsames Leben von keinem Strahle der Liebe und des Glückes erwärmt und erleuchtet wurde. Der Vater starb vor seiner Geburt; der Mutter raubte derselbe Augenblick das Leben, welcher ihm das Dasein gab; kein Schwesterauge bewachte seine Schritte, keine Freundin ist ihm genaht, und dennoch vermag nur zarte, innige Frauenweise die Härten des Mannes zu mildern, und gerade der Dichter bedarf eines Pulses, der mit dem seinen klopft und ihm die Begeisterung in das Herz strömt, ohne welche kein Meisterwerk zu schaffen ist.«
    Er wußte selbst nicht, wie er zu diesen Worten kam. Der Augenblick lockte sie seiner innigsten Ueberzeugung ab, wie nach der Sage der Gruß der Sonne die Säule zum Ertönen bringt.
    »Wer als Dichter so viele Herzen höher schlagen macht, darf versichert sein, daß auch das beste sich nicht weigern würde, an seinem Glücke theilzunehmen,« antwortete Marga. Kaum aber hatte sie geendet, so senkten sich ihre zarten, langbewimperten Lider und eine Gluth schoß über ihre Wangen. In unbeschreiblicher Verlegenheit wurde sie gewahr, was sie gesagt hatte. Was mußte er, der sicher jedes einzelne Wort zu wiegen verstand, von ihr denken!
    »Wie zum Beispiel wir es thun werden,« verschlimmerte Mutter Smolly die Situation. »Daß mein Mann ein Deutscher war, habe ich bereits gesagt; auch Marga’s Mutter stammte aus Germany. Die beiden Verstorbenen waren einander verwandt, auch im Geiste, in allen ihren Anschauungen und Neigungen, und wir sind treue Erben von ihnen.«
    »So sprecht Ihr deutsch?« frug Forster das Mädchen.
    »Lieber noch als englisch. Ich habe mit Mama fast nie anders gesprochen. Jetzt leider ist mir dieser Genuß seltener gestattet. Vater pflegt keinen Privatverkehr mit Deutschen und spricht selbst nur englisch.«
    »So muß ich vielleicht den bereits gehegten Gedanken, mich ihm vorzustellen, sinken lassen. Ich sehe mich im Besitze einiger Werthpapiere, um deren Realisirung ich ihn ersuchen wollte, da er mir als der entgegenkommendste Geschäftsmann Stentons empfohlen wurde.«
    »Darf ich bemerken, daß ich von seinem privaten Verkehre sprach? Und die Ausschließung der Deutschen ist nicht die Folge eines Grundsatzes, sondern des bloßen Zufalles.«
    »So darf ich diese Vorstellung wagen?«
    Sie sah sich in neue Verlegenheit versetzt, denn hinter dieser Frage verbarg sich eine andre, die sie weder bejahen konnte noch verneinen mochte. Es verstand sich ja ganz von selbst, daß eine Einladung die nothwendige Folge einer solchen Vorstellung sein werde.
    »Sie wird kein Wagniß sein,« klang es als Antwort, während ihr Blick den Boden suchte.
    Er sah, daß er verstanden worden sei; daher erfüllte ihn diese an sich so unverfängliche Zustimmung mit Entzücken. Gern hätte er die Unterhaltung fortgesetzt, aber er durfte nicht unbescheiden sein, übergab das Speiseregister und empfahl sich dann. Mutter Smolly begleitete ihn bis hinaus auf den Flur. Als sie zurückkehrte, stemmte sie in komischer Entrüstung die Arme in die Seiten und rief:
    »Was soll mir denn das heißen? Begegnet bist Du ihm, und ich habe kein Wort davon erfahren! Das ist straffällig, das muß fürchterlich gerochen werden!«
    »Verzeihung, mein bestes Tantchen. Ich hatte ja noch gar keine Zeit, Dir das interessante Intermezzo zu berichten, obgleich ich nur zu diesem Zwecke herüberkam!«
    »Gut, so beichte, aber hübsch ausführlich, das will ich Dir rathen. Komm, setze Dich zu mir auf den Divan! Du sagtest zu ihm: ›Eine Begegnung, welche friedfertiger sein dürfte als die gestrige.‹ Euer Zusammentreffen muß also ein sehr feindseliges gewesen sein.«
    Marga erzählte; es war ihrer Rede anzuhören, wie gern sie dies that. Das Ereigniß stand noch lebhaft vor ihren Augen, und sie schilderte es in den Farben, welche sie unbewußt aus dem Herzen lieh. Als sie geendet hatte, meinte die Mulattin:
    »Das ist ja ein ganz außerordentlicher Mann! Aber so sind diese Deutschen, mild, nachgiebig und duldsam, mehr als jeder Andre, aber nur bis zu einem gewissen Punkte; wird dieser verletzt, so giebt es eine Explosion, der Niemand zu widerstehen vermag. Wilson wird sich diese Lehre merken.«
    »Und sich rächen. Er ist mir immer mit auffallender Auszeichnung begegnet, dennoch aber vermuthe ich in ihm einen Charakter, der zur Vorsicht mahnt. Mein Vertrauen könnte er niemals gewinnen.«
    Unterdessen schritt Forster

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