Der Gitano. Abenteuererzählungen
dunkelbraunes Haar das edle Oval ihres Gesichtes einrahmte und in schweren, ungezwungenen Locken auf die schwellenden Schultern niederfiel. Ihre Züge waren fein geschnitten, zierlich gebogen ihre schöne Nase, prächtig gezeichnet ihre Korallenlippen, und unter den graziös geschwungenen, dunklen Brauen schauten ein Paar hellbraune, seelenvolle Antilopenaugen hervor. Ihre ganze Erscheinung war ungezwungen vornehm und ihre Bewegungen zeigten selbstbewußte Ruhe und angenehme Leichtigkeit.
Als sie die Gardinen zurückgeschoben, das Fenster geöffnet und einen Blick auf die Straße geworfen hatte, trat sie in das Zimmer zurück und verschwand vor Forsters Augen. Die Schläge seines Herzens hatten sich verdoppelt und ein Verlangen, eine Sehnsucht ihn erfaßt, wie noch nie in seinem ganzen Leben.
Schon wollte er wieder von dem Fenster zurücktreten, da schwebte es wie eine Nebelwolke durch den Salon der Glasthüre zu, und in blüthenweißem, duftigen Morgengewande trat sie heraus auf den Balkon. Sie blickte hernieder auf die Straße, legte ihr Battisttuch auf das Eisengeländer des Altanes, senkte den schön gerundeten Arm darauf, um sich auf denselben zu stützen und ließ ihre reizenden Hände übereinandergelegt von der Balustrade herabhängen.
Er stand wie festgebannt vor dem wundervollen, zauberischen Bilde. Sie war schöner als Alles, was er vorher gesehen, sie war lieblicher und anmuthiger als Alles, was seine Phantasie ihm bisher vorgegaukelt hatte, sie war eine Fee, eine Göttin von Wolken umgeben.
Nach dem Frühstücke erschien sie wieder und ließ sich, ihrem anwesenden Vater gegenüber, auf dem rothsammetnen Armsessel nieder, den ein sauber in weiß gekleideter Negerknabe für sie hinstellte. Dann breitete der letztere die Zeitungen aus, deren Lektüre die Beiden vornahmen. Forster stand wieder beobachtend am Fenster; er hätte so stehen können, in Liebe und Wonne versunken bis in alle Ewigkeit.
»Der dicke Gentleman scheint ihr Vater zu sein. Er blickt überrascht empor; er scheint etwas Interessantes in dem Journale gefunden zu haben. Jetzt lächelt er und giebt ihr das Blatt. Sollte es mein Gedicht sein? Wenn sie es liest, muß sie sofort wissen, daß es nur an sie gerichtet sein kann!«
Er nahm das Glas an das Auge. Es waren seine Strophen; zwar konnte er die einzelnen Lettern nicht deutlich unterscheiden, aber er sah es an der Stellung des Satzes, daß die Stelle, auf welcher ihr Auge ruhte, nichts anderes als ein Gedicht enthielt. Eine tiefe Röthe breitete sich über ihr Gesicht von der Stirn bis zum Nacken herab.
»Sie hat es gelesen!« flüsterte Forster mit freudebebender Stimme. »Sie liest es wieder. O, wenn sie wüßte, wie so innig der Dichter sie mit seiner ganzen Seele umfangen hält, wenn sie es doch fühlen könnte, wie selig sein Puls in diesem Augenblicke für sie klopft und wogt!«
Unbeweglich, wie an sie festgezaubert hielt er seinen Blick auf sie geheftet und suchte in ihren prächtigen Augen und auf ihren frischen Lippen die Worte zu lesen, welche sie zu ihrem Vater sprach. Sie rief einen kurzen Befehl in den Salon hinein; der Negerknabe brachte eine Scheere herbei. Sie nahm dieselbe, schnitt das Gedicht aus der Zeitung heraus und gab diese ihrem Vater zurück. Den Ausschnitt aber faltete sie zusammen und verbarg ihn in ihrem Busen.
Bei diesem Anblicke schoß es Forster glühend durch die Adern, jeder Nerv erbebte ihm in seligem Entzücken, und seine Hand, welche das Glas hielt, zitterte unter dem wonnigen Schauer, der seine hochathmende Brust durchzog.
Da klopfte es an seine Thür; die kleine, hübsche Terzerone seiner Wirthin brachte ihm das Verzeichniß, aus welchem er sich die Speisekarte dieser Woche zusammenstellen sollte. Sie war einer jener stillglühenden, verlangenden Schönheiten, welche der Vermischung der schwarzen mit der weißen Rasse ihr genußsüchtiges Dasein verdanken. Er war unwillig über diese Störung, ließ sich davon aber nichts merken. Er versprach, die gewünschte Zusammenstellung sofort vorzunehmen. Sie zog sich bis an die Thür zurück, zögerte jedoch, das Zimmer zu verlassen.
»Wünschest Du noch etwas?«
»Eine Bitte, Mylord Forster,« antwortete sie erröthend.
»So sprich!«
»Ihr habt mich heute Nacht an der Thür getroffen mit einem Gentleman – –«
Ihm fiel ein, daß der Mann etwas ihm bekannt Vorkommendes an sich gehabt hatte, und er beschloß, sich zu orientiren.
»Ein Gentleman? Welcher Gentleman stellt sich des Nachts mit
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