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Der Gitano. Abenteuererzählungen

Der Gitano. Abenteuererzählungen

Titel: Der Gitano. Abenteuererzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Fenster.
    »Gefunden! Hier der Depositenschein nebst einigen unvermutheten Wechseln und dort das Baargeld, welches er von Olbers bekam. Ich habe genug und nur mit ihm noch abzurechnen!«
    Er verschloß Alles wieder und trat dann hinter die Gardinen, um das
vis-á-vis
zu beobachten. Im Salon waren die Lichter erloschen; an ihrer Stelle brannte in dem Balkonzimmer der untern Etage eine Lampe. Die Personen, welche sich hier befanden, mußten hinter dem Lichte sitzen, da er keine Spur eines Schattens bemerkte.
    »Ob er noch drüben ist?«
    Seine Frage sollte sofort beantwortet werden. In der Helle des Lichtes erschien Marga und hinter ihr Forster. Sie traten heraus auf den Balkon und stützten sich hart neben einander auf das Geländer desselben. Sie schienen nach Jemand auszuschauen.
    »Teufel, wie vertraut sie sind, so allein, so nahe! Da, bei Gott, er legt den Arm an ihre Taille, leise zwar und verzagt, aber doch! Und sie leidet es! Ists so gemeint? Komm heim, Bube. Hast Du zu viel Feuer in den Adern, so soll Dir geholfen werden. Ich werde Dich ein wenig schröpfen! – Wer ist der dicke Mensch, der dort gelaufen kommt? Wahrhaftig Olbers! Wo ist er gewesen? Auf der Polizei? Und wo steckt dieser armselige Tim Summerland, der sich nicht sehen läßt? Jetzt treten sie zurück!«
    In dem Balkonzimmer mußte jetzt ein lebhaftes Gespräch stattfinden; die Schatten zeigten eine ungewöhnliche Beweglichkeit. Dann verließen Olbers und Forster das Haus; der eine schritt dem Innern der Stadt zu; der andere ging in der Richtung fort, in welcher Wilsons Wohnung lag.
    »Was haben Sie vor? Jedenfalls meine Verfolgung. Sie sollen sich verrechnen!«
    Es verging eine beträchtliche Zeit, ehe sich einer von den Genannten wieder sehen ließ. Da kam ein Fiaker, hielt vor dem Hause drüben an und lenkte dann herüber. Forster war ausgestiegen. Er verschwand in dem Bankierhause, verließ dasselbe aber bald wieder und schritt über die Straße herüber.
    »Er kommt. Nun ist es Zeit!«
    Er bog sich nieder und kroch unter den Schreibtisch. Draußen wurde die Thür aufgeschlossen; Forster trat ein und setzte die Lampe in Brand. Er zog die Wäsche hervor, öffnete den Kleidersekretär und ging ans Einpacken.
    Die Abwesenheit Olbers und Summerlands hatte ihm selige Augenblicke ermöglicht. Marga war vom Divan aufgestanden und auf ihn zugetreten.
    »Ist wirklich keine Täuschung möglich, Sir?«
    »Nein. Er selbst hat ja durch sein Verhalten den Beweis gegeben, daß wir uns nicht irrten. Wer in einer solchen Lage keine andere Vertheidigung kennt, als die durch Messer und Revolver, muß sich seiner Schuld bewußt sein. Und durch seine Flucht hat er den Beweis vollständig besiegelt.«
    »Welch ein Mensch! Und in so gefährlicher Nähe haben wir uns so lange Zeit befunden ohne alle Ahnung des Schlimmen, was uns drohte! Dieses Messer, es war fürchterlich!«
    Die Erinnerung an die blitzende Klinge hatte beinahe dieselbe Wirkung wie der furchtbare Augenblick selbst. Sie wankte, suchte mit der Hand nach einer Stütze und fand dieselbe nicht. Er trat näher und hielt sie mit seinem Arme aufrecht. Sie sank mit ihrem Köpfchen an seine Schulter und schloß die Augen. Er legte den Arm fester um sie und bog sich zu ihrem erbleichenden Gesichte herab. Alle Pulse, alle Fasern klopften und lebten in ihm.
    »Miß Marga!«
    Es war ein wunderbar seliger Ton, in welchem diese beiden Worte erklangen. Ihre volle, weiche Gestalt zuckte leise zusammen; ihre Lider öffneten sich, und mit unbeschreiblichem Ausdrucke traf ihr Blick seine nahen, vor Glück strahlenden Augen.
    »So möchte ich Euch halten und stützen jetzt und immerdar, so lang ein Gedanke mich bewegt und ein Hauch des Lebens in mir wohnt!«
    Er wagte es nicht, die Hohe, Reine inniger zu umschlingen; eine solche Bewegung dünkte ihm der unverzeihliche Verrath an dem Vertrauen, mit welchem sie sich an ihn lehnte. Sie hatte die Augen wieder geschlossen; die Blässe ihres Gesichtes wich; es röthete sich vom zartesten Ton bis zum tiefsten Purpur; die Schwäche war verschwunden; sie bedurfte der Stütze nicht mehr, und dennoch verweilte sie regungslos in ihrer jetzigen Stellung und ein wonniges Lächeln kämpfte mit dem Zuge holder Scham, der von den zarten Schläfen niederstieg. Da ergriff er ihre beiden Hände und geleitete sie zu dem Divan zurück. Dort ließ er sie sanft in das sammetne Polster gleiten und nahm an ihrer Seite Platz. Noch immer lag ihr Kopf an seiner Schulter; er strich ihr mit der Hand

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