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Der Gitano. Abenteuererzählungen

Der Gitano. Abenteuererzählungen

Titel: Der Gitano. Abenteuererzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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liebkosend über die glänzende, weiche Lockenfülle und ward nicht müde, ihre königliche Gestalt und ihre bezaubernden Züge mit seinem Auge zu umfassen.
    So saßen sie lange, lange an einander. Keines sprach ein Wort; es hätte wie eine Entweihung heiliger Herzenssabbathstille geklungen; aber Beide wußten, daß ihre Seelen sich zu eigen seien von nun an und für alle Zeit.
    Da endlich rang sich ihr Blick in süßer Verwirrung unter den langsam sich hebenden Wimpern hervor, und zaghaft leise erklang es:
    »Papa muß bald kommen!«
    »Verzeihung, Marga! Die Wonne mißt nie den Augenblick; ich hatte ihn vergessen.«
    »Könntet Ihr doch auch das Gestern so vergessen!«
    »Nie, niemals werde ich dies vermögen, denn gestern ging der Stern mir auf, deß Strahl den Reichthum einer heiß ersehnten Welt erschließt. Darf er mir auch ferner leuchten?«
    »Dem Dichter glänzen Sterne, die kein Anderer kennt; ein Strahl des irdischen Himmels darf sich nicht zu ihm verirren!«
    »Und doch würde er eine solche Verirrung mit tausend Leben bezahlen, wenn sie ihm zur Verfügung ständen. Marga, sei mein Strahl, mein Licht, mein Stern; ich will nur Dich, nur Dich und entsage allen Sonnen, die neben Dir und um Dich kreisen!«
    Sie schnellte empor, als wolle sie ihm entfliehen.
    »Marga, verzeiht! Ich werde gehen!«
    Auch er erhob sich. Schon war sie fern von ihm; sein Wort zog sie zurück. Sie wandte sich, eilte auf ihn zu und ergriff seine Hände.
    »Ich bin für Euch zu arm, zu klein und gering; ich darf die Strophen lesen, die Ihr schreibt und mich von ihrem Geist erheben, von ihrer Schönheit bezaubern lassen, doch das Recht an Eurer Schöpfung, an Eurem Ruhm, welches die Liebe gibt, ist mir versagt.«
    Sie fühlte seine Hände erkalten.
    »So fahre er hin, dieser Ruhm! Ich werfe ihn von mir und entsage Allem außer der Erinnerung an den schönen Traum, aus dem ich jetzt erwache.
Fare well,
Hoffnung, Glück und Stern; der Dichter stirbt; der Jäger aber verschwindet im Westen wie das Licht, dem die finstre Nacht zu folgen hat!«
    Er zog seine Hände aus den ihrigen und schritt der Thüre zu. Sie stand unbeweglich, bis er durch dieselbe verschwunden war. Da aber kam doppeltes Leben über sie.
    »Richard!«
    Er konnte den Angstruf unmöglich hören. Sie eilte ihm nach und erreichte ihn an der untern Treppe.
    »Nicht so, nicht so!« stieß sie hervor. Ihr Busen wogte, und ihre Hand, welche die Korridorlampe ergriff, bebte, daß der Cylinder erklang. »Ihr dürft den Posten, auf welchen Papa Euch stellte, nicht verlassen, bis er zurückkehrt. Kommt, laßt uns ihn erwarten!«
    Er sah ihre Aufregung, ihre Bangigkeit und konnte nicht anders, er mußte ihr folgen. Sie trat in das Balkonzimmer, nachdem sie den Befehl ertheilt hatte, die Flammen des Salons zu verlöschen.
    »Warum wolltet Ihr gehen, Sir! Ich hatte Euch noch so viel zu bitten.«
    »Sprecht, Miß!«
    »Ihr dürft nicht dem Leben entsagen, Ihr sollt den Ruhm festhalten und vergrößern, den Ihr Euch erworben habt!«
    »Der Ruhm ist kalt; kein Lorbeer wärmt, wenn das Herz erstarren will. Soll es leben, so braucht es Liebe, nichts als Liebe!«
    Sie faltete die Hände über der Brust und blickte zu Boden.
    »Liebe! Ich habe sie nie gekannt, denn Kindesliebe ist nicht die, welche Ihr meint. Das Frauenherz ist weich und kennt kein anderes Gesetz als das Gefühl; aber kann sie auch das Herz des Mannes in so kurzer Zeit sich unterthänig machen?«
    »Gott ist die Liebe, Miß, und Beide sind allmächtig! Sie kommt, sie ist da und gebietet im Augenblicke über die verborgensten Gedanken und die offensten Thaten des Menschen. Wer sie aus dem Herzen reißt, vernichtet dieses und mit ihm sich selbst.«
    Sie legte ihre Hände flehend auf seinen Arm.
    »O, thut das nicht; ich müßte mir ewig zürnen!«
    Noch ehe er zu antworten vermochte, hatte sie das Zimmer verlassen und war auf den Balkon getreten. Er folgte ihr und nahm neben ihr Platz, ohne zu ahnen, daß der entflohene Pfahlmann in seinem eigenen Zimmer stehe und ihn beobachte.
    »Nur zürnen, Miß! Wäre der Zorn das Einzige, was Ihr fühlen würdet?«
    »Nein, noch viel, viel mehr!« hauchte sie.
    »Was noch? O bitte, sagt es mir!«
    Sie fühlte, über das Geländer gebeugt, die Berührung seines Armes und machte keine Bewegung, sich demselben zu entziehen.
    »So Schreckliches, daß ich keinen Namen dafür finde.«
    »Marga, darf ich lieben und hoffen?«
    »Dort kommt Papa!« Sie trat in das Zimmer zurück. Ihr Auge

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