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Der Gitano. Abenteuererzählungen

Der Gitano. Abenteuererzählungen

Titel: Der Gitano. Abenteuererzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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leuchtete, und ihre Wangen glühten. »Bin ich denn dieser Liebe, dieser Hoffnung werth?«
    »Marga, mein Leben, meine Seligkeit! Wäre ich der Größte unter den Großen der Erde, ich würde dennoch in Demuth um das kleinste Wörtchen bitten, wie ich es hören möchte!«
    Der Bankier trat ein. Er war so aufgeregt, daß er die ungewöhnliche Haltung der Beiden gar nicht beachtete.
    »Ihr habt Recht gehabt, Sir!« keuchte er mit fliegendem Athem. »Die Empfehlung war gefälscht. Wir müssen den Schurken haben!«
    »Wir werden ihn bekommen, selbst wenn es ihm gelungen wäre, für jetzt zu entwischen. Ist er aber nach seiner Wohnung gegangen, was er sicher gethan hat, wenn er nicht vorher auf das Geschehene vorbereitet war, so wird Tim Summerland ihn sicher nicht aus dem Auge lassen. Ihr wart doch jedenfalls schon beim Prokurator oder auf der Polizei?«
    »Nein, noch nicht. Ich habe in meinem Grimm und der Eile gar nicht daran gedacht!«
    »So müßt Ihr das Versäumte sofort nachholen. Ich gehe unterdessen zu Tim, um Euch dort zu erwarten. Wir haben es mit einem ebenso raffinirten wie verwegenen Manne zu thun und dürfen keine Zeit verlieren!«
    Sie gingen, und Marga blieb allein zurück. Sie nahm auf dem Sopha Platz und öffnete ihr Album. Hier war das Gedicht verborgen, welches sie aus der Zeitung geschnitten hatte. Sie las es wieder und immer wieder.
    »Ich undankbare Thörin! Solch ein Glück, solch eine Seligkeit sich beinahe zu verscherzen! Ja, er hat Recht: Die Liebe kommt, sie ist da und gebietet; so war’s bei mir, so war’s bei ihm, und jedes Zagen ist Sünde. O Mutter, könntest Du doch leben und sehen, wie froh, wie unendlich froh das Herz Deines Kindes ist!«
    Sie bog sich in die weiche Lehne zurück, schloß die Augen und träumte süße, holde Bilder, die ihrem selig ahnenden Herzen entstiegen und ihren reinen Busen höher schwellen ließen. So lag sie lange, lange. Da erklangen draußen Schritte; es klopfte, und ehe sie noch sich erhoben hatte, stand der Geliebte vor ihr. Er sah den Zeitungsausschnitt in dem geöffneten Album liegen und wußte nun, daß sie sich nur mit ihm beschäftigt habe.
    »Ich komme als Bote. Wilson ist seit hier nicht in seiner Wohnung gewesen. Die Policemen suchen ihn an den Orten, wo er zu verkehren pflegte, und da er ihnen persönlich unbekannt war, muß sich Papa an der Nachforschung betheiligen. Er läßt bitten, nicht in Sorge um ihn zu sein. Auch ich werde mit Summerland nach ihm suchen, vermuthe jedoch, daß er Stenton bereits verlassen hat. In diesem Falle weiß ich genau, wohin er sich wendet und werde ihm noch in der Nacht folgen. Darf ich dann um die Freundlichkeit bitten, mich bei Mutter Smolly zu entschuldigen, von der ich doch unmöglich Abschied nehmen kann?«
    »Ihr wollt fort, ihm nach, wollt Euch in die Gefahr begeben, von ihm – nein, nein, das darf ich nicht gestatten, das kann ich unmöglich zugeben! Bleibt, Sir, bleibt, und überlaßt die Verfolgung des Bösewichtes der Polizei!«
    Er lächelte glücklich und überlegen zugleich.
    »Gegenüber einem offenen Feinde, und das ist er mir nun, kenne ich keine Gefahr. Auch ist meine Abreise ja noch nicht sicher bestimmt; es ist ja möglich, daß er die Stadt noch nicht verlassen hat; dann fällt er gewiß in unsere Hände, und ich bleibe hier.«
    »So versprecht mir, auf alle Fälle noch einmal hier vorzusprechen! Ich bleibe wach, bis Papa kommt und ich genau Nachricht habe.«
    »So werde ich wiederkehren. Bis dahin aber – gute Nacht!«
    Er reichte ihr die Hand. Sie sah seinen bittend-fragenden Blick und fühlte seinen leisen Versuch, sie an sich zu ziehen. Sie schlang aus eigenem Antriebe die Arme um ihn.
    »Richard, erhalte Dich mir. Schone Dich, wenn Du ihn triffst!«
    Ihre Lippen trafen die seinen in einem leisen, schnellen Kusse, dann entschlüpfte sie ihm in das Nebengemach.
    Dort vertauschte sie das Salonkleid mit einem bequemen Negligé und hatte eben diese Beschäftigung beendet, als sie bemerkte, daß er in seine Wohnung gegangen sein müsse, da die Fenster derselben erleuchtet waren. Jedenfalls verließ er diese bald wieder; sie wollte ihn sehen und begab sich auf den Balkon.
    Nach einiger Zeit öffnete sich auch drüben die Thür zum Altane, und er trat heraus, um nach Summerland zu blicken, der ihn abholen sollte. Er winkte grüßend mit der Hand herüber und sie erhob die ihrige zur Antwort, stockte aber mitten in der Bewegung. Ein Schatten glitt an den zwei Fenstern des Studirzimmers vorüber

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