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Der Gitano. Abenteuererzählungen

Der Gitano. Abenteuererzählungen

Titel: Der Gitano. Abenteuererzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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schön, diese Mexikanerinnen, intrigant und untreu in der Ehe, wild und unbändig in ihrer Leidenschaft, sei es in Liebe, sei es in Haß, und wehe dem, welcher ihrer Gluth mit kalter Ruhe begegnet oder sich eines Treubruches schuldig macht; dann scheuen ihre kleinen, weißen Hände nicht vor dem Dolche zurück, und sie wissen ihn so sicher zu führen, daß er seines Zieles fast niemals verfehlt.
    Forster wanderte langsam unter ihnen dahin und musterte jeden Begegnenden, denn eine innere Stimme sagte ihm, daß er die Reise nicht umsonst gemacht habe. Er mußte bemerken, welches Aufsehen seine prächtige, in vornehmer Nonchalance dahinschreitende Gestalt hervorrief. Hunderte Augen blieben auf ihm hangen, und ebenso viele Fächer versuchten, ihre Sprache an ihn zu richten. Er mußte an das reine, heilige Wesen denken, welches er in Stenton zurückgelassen hatte, und glitt mit gleichgültigem Blicke über diese Aufmerksamkeiten hin.
    Eine außerordentlich reich und vornehm gekleidete Dame begegnete ihm an dem Arme eines viel älteren, jedenfalls den höheren Ständen angehörenden Herrn. Sie war eine Schönheit, wie man sie nur selten zu finden vermag, und warf im Vorüberschreiten einen langen, sprechenden Blick auf ihn. Eine Minute später kehrte er am Ende des Weges um und hatte noch keinen großen Theil der Promenade wieder zurückgelegt, so erblickte er sie wieder. Auch sie hatte sich gewandt. In seiner Nähe hielt sie den Fächer, von ihrem Begleiter unbemerkt, küssend an die Lippen und traf ihn mit der ganzen Gluth ihres großen, wie aus verborgenen Tiefen hervorleuchtenden Auges.
    Wie durch Zufall entfiel dabei der Fächer ihrer Hand. Forster hob ihn empor und überreichte ihr ihn. Er war von außerordentlich feiner Arbeit und reich mit kostbaren Steinen geschmückt. Sie nahm ihn und berührte dabei mit ihren kleinen Fingern seine Hand.
    »Dank, Sennor! Seid Ihr ein Fremder, da Ihr allein promenirt?«
    Er verbeugte sich zustimmend gegen sie und ihren Begleiter, welcher diese Bewegung mit vornehmer Zurückhaltung erwiderte.
    »So ist es, Donna,« antwortete er im reinsten Spanisch.
    »Und wie findet Ihr Mexiko?«
    »Es ist die Heimath der Feen, das Land der Seligkeit, von welchem die Dichter erzählen, daß Keiner zurückkehre und Jeder verloren sei, der seine Grenzen einmal überschreite.«
    »So seid auch Ihr verloren?«
    »Ich bin gefeit von einer mächtigen Zauberin!« lächelte er, sich tief verneigend und trat zurück. Ein unbeschreiblicher Blick traf ihn, in welchem die Bewunderung mit dem Zorne über den Etikettenfehler rang, den er durch die Abbrechung des durch List herbeigeführten Gespräches begangen hatte. Dann rauschte sie davon.
    Er verließ den Platz nicht eher, als bis dieser sich beinahe entleert hatte und er nun sicher war, daß der Gesuchte nicht hier gewesen sei. Um einige Straßen der Stadt im Lichte des Abends zu betrachten, kehrte er nicht direkt nach dem Hotel zurück, sondern schlug einen Umweg ein, der ihn nach dem Innern des Häusermeeres führte. Schon war er, sich die verschiedene, oft wirklich schöne, oft auch bizarre Architektur der Häuser betrachtend, einige Straßen vorwärts gekommen, als sein Blick ein schmales Gebäude streifte und an einem der oberen Fenster haften blieb. Es war geöffnet, und ein unverhüllter Frauenkopf blickte aus ihm auf die Straße herab. Er zog sich unter das Thor, an welchem er eben vorüberschreiten wollte, zurück und verwandte kein Auge von dem Gesichte, welches er mit größter Deutlichkeit erkannte.
    »Welch ein Zufall! Sarah, die Terzerone! Wo die ist, muß auch Wilson sein!«
    Er wartete, bis der Kopf sich zurückgezogen hatte und trat dann in das Haus. Seinem Aeußeren nach konnte es nur von gewöhnlichen Leuten bewohnt sein, und er brauchte also keine große Rücksicht zu nehmen, sondern trat sofort in das einzige Zimmer, welches das Parterre enthielt. Es war zwar ärmlich aber sauber ausgestattet. Eine alte Frau erhob sich aus dem Sessel, in welchem sie halb schlummernd geruht hatte.
    »Verzeiht, Matrina, daß ich Euch störe. Nicht wahr, hier über Euch wohnt Don Carlo Piskaldo, den ich suche?«
    Er hatte den ersten besten Namen gewählt, der ihm eingefallen war.
    »Don Carlo Piskaldo, Sennor? Nein, der wohnt nicht hier, hat auch nie bei mir gewohnt. Meine Zimmer gehören einem Don Tomasio, der mit seinem Weibchen erst gestern hier angekommen ist und Mexiko auch gleich wieder auf einige Tage verlassen hat.«
    »Das stimmt; es muß also

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