Der Gitano. Abenteuererzählungen
wird er keineswegs nach Texas ziehen sondern die Grants sofort mit Gewinn zu verkaufen suchen und sich dann für immer unsichtbar machen.«
»
Well,
Sir, so ists richtig,« meinte Summerland; »aber wir werden dafür sorgen, daß er ein wenig mehr als ehrliche Leute sichtbar wird, nämlich fünf Ellen hoch am Stricke, wenn ihn mein Messer nicht etwa schon vorher gekitzelt hat!«
»Wie lange bleibt die ›Union‹ im Hafen liegen?«
»Das ist unbestimmt,« antwortete Kapitän Williams; »je nach der Leichtigkeit, mit welcher es mir gelingt, die Ladung zusammenzubringen. Willst Du wieder mit retour?«
»Ich würde mit Niemandem lieber fahren, als mit Dir.«
»So spute Dich, Deinen Mann zu fangen, und bringe ihn gleich mit, damit ich seine interessante Bekanntschaft mache!«
»Wenn ich dies könnte! Zwar bin ich mit polizeilichen Vollmachten versehen, aber auf diese hin stehen mir leider nur die Behörden der Vereinigten Staaten zu Diensten. In Mexiko gelten sie gleich Null.«
»Die Voraussetzung des Kapitäns ging in Erfüllung. Nach nicht viel mehr als zwei Stunden warf die ›Union‹ zwischen der von Meereswogen umspülten Felsenfeste San-Juan de Ulloa und der alten Stadt Vera Cruz die Anker. Die beiden Passagiere nahmen vom Kapitän Abschied, ließen sich nach der breiten Hafentreppe rudern, stiegen dieselbe empor und schritten über den mit Menschen angefüllten Platz dem Zollgebäude zu.«
Nachdem sie hier ihre Obliegenheiten erfüllt hatten, erfuhren sie, daß die Post schon in kurzer Zeit abgehe, und verließen mit derselben die ungesunde, baumlose Sandebene der Küste, um sich nach der alten Kaiserstadt Mexiko zu begeben. Schon am Nachmittage des folgenden Tages warfen sie den ersten Blick von den Bergen, welche das Thal und den prächtigen See von Tenochtitlan umschließen, auf die schöne Stadt, rollten zu derselben hinunter und wurden von dem Rosselenker vor einem der ersten Hotels abgeliefert, dessen Wirth sich über die exquisite Kopfhaut Summerlands zwar zu verwundern schien, sie aber mit großer Höflichkeit empfing.
Sie mußten für heut hier bleiben, um sich von der unbequemen Fahrt auszuruhen und eine Gelegenheit nach Morelia abwarten. Es nahte die Dämmerung, jene Zeit, in welcher die Bevölkerung der Hauptstadt sich auf dem beliebtesten Vergnügungsort Mexiko’s zu ergehen pflegt. Es war immerhin der mögliche Fall, daß Wilson noch in Mexiko sein konnte. Er hatte einen Vorsprung von nur einem Tage, und dann war anzunehmen, daß er jetzt diesen Ort, die Alameda, auch besuchen werde. Sie beschlossen daher, sich getrennt dahin zu begeben, um nach ihm zu forschen.
Summerland ging zuerst. Forster wußte, daß er der vornehmen und schönen Welt der Stadt begegnen werde, und machte sorgfältige Toilette. Er hatte von dem Hotel nicht weit bis zu dem Gitterthore dieser öffentlichen, mit Parkanlagen, Springbrunnen und Ruheplätzen versehenen Promenade, und war gleich beim Eintritte überrascht von dem prächtigen Schauspiele, welches sich ihm bot.
Die Großen und Reichen Mexiko’s durchschritten lustwandelnd die sauberen Wege der Alameda, und die reiche, strahlende Toilette der Damen zeugte genugsam von dem Luxus, an welchen sich die Nachkommen der spanischen Eroberer gewöhnt hatten. In Seide rauschend, von luftigen Spitzengewändern umwogt, mit der reizenden, malerischen Basquina angethan und mit Diamanten und Perlen geschmückt, promenirten die schönen Frauen und Mädchen, theils nach altem Brauche verhüllt, theils auch mit offenem Visir, und dann enthüllten die zurückgeworfenen Mantillen den ganzen Zauber ihres reichsten Schmuckes, ihrer funkensprühenden schwarzen Augen. Elastisch und leicht wiegten sie sich auf ihren wunderbar zierlichen Füßen, geschmeidig war jede Bewegung ihres schönen, üppigen Körpers, und das Fächerspiel, in welchem diese Damen die höchste Virtuosität besitzen, entfaltete seine größte Beredsamkeit. Wie ein Gewinde von Blumen des sonnedurchglühten Tropenlandes schwebte der Strom dieser reizenden Neuspanierinnen durch den Park, und zwischen ihnen hervor prunkten die reichen Uniformen des Militärs und die minder strahlende Tracht der nicht militärischen Stände. Je mehr die Sonne sich zu den westlichen Gebirgen herniedersenkte, je feuriger im Süden die eisigen Spitzen der beiden Vulkane erglühten, desto größer und zahlreicher wurde die Menge, die sich hier spazierend bewegte oder auf den Ruheplätzen niedergelassen hatte. Sie sind reizend und
Weitere Kostenlose Bücher