Der Gitano. Abenteuererzählungen
so mußt Du leben, um mich zu rächen.«
Potamo ließ sich nur mit Widerstreben dazu bestimmen, mußte sich aber endlich doch noch fügen.
Wir befanden uns auf der Ostseite von Manua. Die beiden Eilande Ofou und Olosinga liegen auf der Westseite dieser Insel. Unser Weg führte uns also nach Sonnenuntergang. Wir bestiegen die Doppelpraue wieder, kamen glücklich durch die Brandung und segelten so hart wie möglich an der Küste hin. In anderthalb Stunden hatten wir die Südwestspitze erreicht.
»Befiehl Deinen Leuten, daß sie die Ruder nehmen,« bat Tui-Fanua. »Wir müssen so schnell wie möglich hinüber nach Olosinga, daß sie keine Zeit finden, uns feindlich zu empfangen.«
Dies geschah. Die Praue flog, von den kräftigen Armen der Matrosen getrieben, wie ein Pfeil über den Meeresarm, der die beiden Inseln trennte. Tui-Fanua führte selbst das Steuer und hielt das Fahrzeug auf eine Einbiegung der Insel zu, welche ganz voller einfacher Prauen lag. Mitten auf diese Einbiegung mündete eine Kluft, welche so schmal war, daß nur zwei Männer neben einander zu passiren vermochten. Das war damals der einzige Weg hinauf auf den steil anstrebenden Felsen.
Wir landeten. Trotzdem wir nur drei Minuten gebraucht hatten, um über den Meeresarm zu gelangen, war man da oben doch aufmerksam auf uns geworden. Wir sahen, daß mehrere mit Keulen und Lanzen bewaffnete Wilde herniederstiegen, um uns den Weg zu verlegen.
»Schnell hinaus,« gebot der junge Häuptling.
Im Nu standen wir am Fuße der Schlucht, wir Beide, er und ich, während die Praue vom Lande abstieß, um in einiger Entfernung halten zu bleiben.
Hier stand ein Malaye Wache.
»Tui-Fanua!« rief er, halb erstaunt und halb erschrocken.
»Ja, Tui-Fanua,« antwortete dieser. »Stirb!«
Der Kais blitzte in seiner Faust; der Mann sank todt nieder.
Jetzt ging es schnell aufwärts.
»Halt!« rief es uns entgegen.
Ein zweiter Malaye schwang den Spieß über uns. Hier konnte der Häuptling nichts thun. Ich zog den Revolver, ein kleiner, scharfer Laut erklang, und der durch das Herz Getroffene stürzte neben uns vorbei kopfüber in die See.
Ebenso erging es einem Dritten, dann hatten wir die gefährliche Schlucht überwunden. Während der letzten Schritte war ich bemüht gewesen, die beiden verschossenen Patronen wieder zu ersetzen.
Wir standen jetzt am Rande eines Kokospalmen-und Brodfruchtbaumwaldes und sahen uns von einer Schaar Polynesier umgeben, welche den Häuptling sofort erkannte.
»Tui-Fanua, der stärkste der Krieger. Er sterbe!«
Sie schwangen drohend ihre Waffen, ich aber trat vor den Häuptling hin und rief so gebieterisch wie möglich:
»Ist der Mitonare hier?«
»Er ist hier.«
»Führt uns zu ihm!«
Sie schienen von meinem Tone betroffen zu sein, nahmen uns in ihre drohende Mitte und geleiteten uns noch weiter empor nach einem freien, rings von Palmen umgebenen Platze.
Dort war von Steinen ein Altar errichtet, an welchem der Missionar stand, eine ausgehöhlte Kokosnuß in der Hand. Vor ihm kniete in diesem Augenblicke eine weibliche Gestalt, welche von zwei starken Männern mit Gewalt in dieser Stellung festgehalten wurde.
»Aimata!«
Diesen frohlockenden Ruf stieß Tui-Fanua aus; dann stand er mit zwei Sprüngen hinter ihr. Sein Kais blitzte einmal und noch einmal, die beiden Männer, welche das Weib gehalten hatten, sanken todt zur Erde nieder.
Das war so schnell geschehen, daß Keiner ein Glied rühren konnte, um es zu verhindern. Nur Einer schnellte herbei und erhob die Keule zum gewaltigen Schlage. Tui-Fanua sah ihn nicht, aber ich erhob den Stutzen. Der Schuß krachte, und der Mensch ließ die Keule fallen und stürzte neben sie nieder. Jetzt erst wandte der Häuptling den Kopf.
»Omba!« rief er. »Herr, ich danke Dir, daß Du ihn getroffen hast!«
Also der Sohn des Häuptlings, der Räuber Aimata’s war es gewesen! Aber ich hatte keine Zeit zur weiteren Besinnung, denn rund um uns ertönte ein Geheul der Wuth, welches mich Alles befürchten ließ. Der Altar lag mit seinem Rücken an einem hohen Felsen, und da er aus ziemlich großen Steinen bestand, konnte er als eine Art Festung von uns benutzt werden. Ich sprang hinauf, riß Aimata zu mir empor, und Tui-Fanua folgte schnell. Wir waren wenigstens für den Augenblick geborgen.
Alles stürmte jetzt auf uns ein, da aber erhob der Missionar die Hand. Sie Alle blieben sofort gehorsam halten. Der Missionar wandte sich zu uns:
»Wer seid Ihr, daß Ihr es wagt, diese heilige
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