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Der Gitano. Abenteuererzählungen

Der Gitano. Abenteuererzählungen

Titel: Der Gitano. Abenteuererzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Dörfer und zog mit ihnen gegen Katua. Da aber hörten wir hinter uns ein Geschrei und sahen das Feuer an vielen Orten zum Himmel lodern. Der Feind war uns zuvorgekommen, hatte alle Frauen und Kinder getödtet und unsere Dörfer und Hütten verbrannt. Und als wir umkehrten, fielen wir ihm in den Bergen in die Hände. Wir allein sind übrig geblieben. Zähle uns!«
    Die beiden Brüder regten sich nicht; sie blickten zur Erde, um ihren Schreck zu verbergen. Da endlich wandte sich Tui-Fanua zu mir. In seinen Augen glühte ein Feuer, welches Verderben sprühte.
    »Das sind Christen, Herr! Mafuié verschlinge sie!«
    Ich legte ihm die Hand begütigend auf den Arm.
    »Bin ich so bös wie sie?«
    »Nein, Herr. In Dir leuchtet die Sonne der Liebe, Du bist tapfer, weise und gut.«
    »Ich bin ein Christ. Sind sie also welche?«
    »Nein.«
    »Ein Christ ist tapfer, weise und gut, wie Du sagst, sie aber sind hinterlistig, heimtückisch und grausam. Sie essen Menschenfleisch und werden sich daran ihr Verderben fressen.«
    Da hob er die Hände empor zum Himmel und sprach:
    »Der Gott alles Guten soll seine Hand von mir nehmen und mich vernichten, wenn ich eher ruhe, als bis ich sie gezüchtigt habe. Gehe, Herr, und fahre allein nach Pago-pago. Ich kann nicht mit Dir gehen, denn ich muß meine Todten rächen.«
    »Ich gehe nicht, sondern ich bleibe und helfe Dir!«
    Er sah mich erstaunt an.
    »Herr, ich bin ein Heide, und Du willst mir gegen diese Christen helfen?«
    »Ja.«
    Da schlug er mir auf die Schulter, daß es dröhnte und rief:
    »So bist Du ein richtiger Christ, und ich will Deinen Gott verehren wie den meinen, wenn er uns Hilfe bringt!«
    Ich theilte dem Kapitän meinen Entschluß mit, und alle Mannen stimmten sofort bei, dem Häuptling ihre Hände und Kräfte zur Verfügung zu stellen.
    »Wir Alle werden bei Dir bleiben, bis Du gesiegt hast,« erklärte ich ihm. »Wie viele Männer zählt der Feind?«
    »Fünfhundert,« antwortete der alte Ambo.
    »Sie sind in ihren Dörfern?«
    »Nein. Sie sind jetzt versammelt auf Olosinga, um unsere Fürstin Aimata zu taufen und sie dann Omba zum Weibe zu geben.«
    »Ist der Mitonare dabei?«
    »Ja.«
    »Wo seid Ihr bisher gewesen?«
    »In den Bergen. Sie werden uns tödten, wenn sie zurückkehren. Herr, laß uns in ihre Dörfer gehen und Alles tödten, was wir dort finden!«
    »Nein,« antwortete Tui-Fanua. »Sie sind Christen, ich aber bin ein Heide und werde barmherziger sein als sie. Ich werde Aimata wieder holen, Omba tödten und dann über alle die Seinen herrschen. Ihr habt Eure Weiber und Kinder verloren. Wir dürfen die Mädchen des Feindes nicht tödten, denn sie sollen Eure Frauen werden. Bleibt zurück und erwartet mich hier, ich werde ganz allein nach Olosinga gehen!«
    Dieser junge Mann war wirklich ein Held. Ganz allein wollte er gehen, mitten unter seine grimmigsten Feinde hinein, die ihn vorher hatten verzehren wollen! Ich streckte ihm meine Hand entgegen.
    »Ich gehe mit Dir!«
    »Du? Herr, Du bist mein Freund und Bruder; ich liebe Dich!«
    Ich theilte dem Kapitän unsern Entschluß mit.
    »Seit Ihr verrückt, Sir?« frug er. »Ihr Zwei ganz allein unter fünfhundert Wilde!«
    »Christen!« verbesserte ich lächelnd.
    »Ja Christen, welche Menschen fressen: Mag auch ein schöner Missionar sein, der das leidet! Sie werden Euch auch braten und verzehren.«
    »Vielleicht auch nicht. Bedenkt, was ich für Waffen habe!«
    »Was werdet Ihr mit zwei Büchsenkugeln ausrichten können?«
    »O, die Büchse nehme ich gar nicht mit!«
    »Was denn?«
    »Zwei Revolver, das gibt zwölf Schüsse, und mein Henrystutzen, der die sehr praktische Einrichtung hat, daß man aus ihm fünfundzwanzig Kugeln hinter einander abfeuern kann, das sind also siebenunddreißig Schüsse in Summa, ohne was ich mit dem Messer zu thun vermag, Tui-Fanua gar nicht mitgerechnet. Dies wäre überhaupt nicht das erste Mal, daß ich mich so mitten unter die Feinde hinein gewagt habe.«
    »Und wenn auch! Ich muß wenigstens von Weitem dabei sein!«
    »Nun gut. So fahren wir mit der Doppelpraue bis vor Olosinga, und während ich mit dem Häuptlinge die Insel betrete, wartet Ihr auf uns; Ihr könnt uns ja zu Hilfe kommen, wenn Ihr mich schießen hört.«
    »Angenommen, Sir!«
    Ich theilte diesen Plan Tui-Fanua mit, und er ging darauf ein.
    »Ich gehe mit!« meinte sein Bruder Potamo.
    »Nein, mein Bruder! Diese Männer hier sind die letzten unseres Volkes. Sie dürfen nicht ohne Häuptling sein. Wenn ich falle,

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