Der Gitano. Abenteuererzählungen
Stätte mit Blut zu – – –«
Er hielt mitten in seiner Strafrede inne. Ich hatte ihn vorher nicht genau betrachtet. Wir erkannten uns Beide in demselben Augenblicke. Dieser Mensch war Matrose desselben Schiffes gewesen, auf welchem ich von Hongkong nach Java ging, und wegen eines beträchtlichen Diebstahles erst gepeitscht und dann auf Malacca ausgesetzt worden.
»Sir Latréaumont!«
»Ben Silvers!«
»Was thut Ihr hier?«
»Was thust Du da? Wer hat Dich zum Missionar gemacht?«
»Ich bin es auf Tahiti geworden.«
»Wer hat Dich ordinirt?«
»Der Herr – der Herr – –«
»Nur heraus damit: der Herr Ben Silvers selbst, natürlich! Nun wundert es mich nicht, daß die Christen hier gern Menschenfleisch fressen!«
»Oho, dafür kann ich nichts! Ich bitte mir überhaupt eine andere Sprache aus!«
»Welche denn, mein Bursche?«
»Eine solche, wie sie ein Diener am Weinberge des Herrn verlangen kann.«
»Lästere nicht, Mensch! Du spielst diese Rolle hier nur um Dich zu bereichern. Aber Du sollst sie ausgespielt haben; darauf kannst Du Dich – – –«
»Fahre zur Hölle!« brüllte er.
Er zog den Kais, da aber saß ihm auch schon der Dolch des Häuptlings im Herzen. Der erste Missionar der Samoainseln hatte seine Rolle ausgespielt.
Nun aber ertönte das Geheul der Malayen desto wüthender um uns. Sie drangen unaufhaltsam auf uns ein. Ich bückte mich nieder hinter die Steine, legte den Stutzen auf den Rand des Altares, ein, zwei, drei, fünf, sechs, acht Schüsse, von denen jeder seinen Mann traf. Sie stutzten. Ich erhob mich und zielte nun frei. Noch vier Schüsse gab ich ab, dann wichen sie zurück. Sie hatten wohl bereits Schießwaffen gesehen, daß man aber, ohne zu laden, eine solche Menge von Schüssen abgeben könne, machte sie irre.
Aber auch ich war verwundet; eine Wurfkeule hatte mich an der linken Schulter und ein Stein gerade an der Stirn getroffen. Ich sah ein, daß wir Zwei zu tollkühn gewesen waren, und gab bereits die Hoffnung auf, lebendig wieder zu meinem alten Kapitän Hammer zu gelangen, als ich auf einmal seine laute befehlende Stimme hörte.
»Halt! Dort sind sie. Besetzt die Schlucht, Jungens, daß der Rückzug frei bleibt!«
Er war, als er die Schüsse fallen hörte, sofort gelandet und hatte mit seinen Leuten die Schlucht erstiegen, welche unvorsichtiger Weise von den Malayen nicht hinter uns wieder besetzt worden war.
»Wollt Ihr wieder herüber, Sir Latréaumont?«
»Ja.«
»So kommt! Ich werde diese rothen Masters mit meinen Jungens einstweilen im Schach halten. Gewehr auf, Männer, Hand an den Hahn! So, und wer sich von diesen Hallunken nur rührt, wird erschossen. So ein Kerl ist leichter zu treffen als ein Vogel, den man gern braten möchte. Jetzt schnell herüber.«
Ich erklärte dem Häuptling den Plan des Kapitäns.
»Geh, Aimata,« bat er.
Die schöne schlanke Gestalt erhob sich und sprang wie eine fliehende Gazelle über den Platz. Dann erst, als sie geborgen war, erhob sich Tui-Fanua aus seiner gebückten Stellung.
»Komm!«
»Nein, geh Du voran!«
»Du willst mich schützen, weil Du glaubst ich fürchte mich?«
»Nein. Ich will den Rückzug decken, weil ich bessere Waffen habe als Du.«
»Ich brauche Deine Waffen nicht!« antwortete er stolz.
Er trat langsam aus dem Altare hervor und blieb dann vor demselben halten. Er erhob die Hand zum Zeichen, daß er sprechen wolle, dann begann er:
»Ihr Männer von Manua! Katua und sein Sohn Omba hier sind todt. Das Land hat keinen Häuptling mehr als mich und Potamo, meinen Bruder. Ich werde Euer Häuptling sein. Wollt Ihr mir gehorchen?«
Es erfolgte keine andere Antwort, als ein unwilliges Gemurmel.
»Seht hier Eure Todten liegen. Sie sind gefallen von einer einzigen Hand, von der Hand eines Christen, der besser und tapferer ist als Ihr. Ich werde Euch zu so guten und tapferen Christen machen. Ich werde andere Mitonare kommen lassen, die Euch verbieten Menschenfleisch zu essen und Euch dafür Alles lehren, was recht und was gut ist. Wollt Ihr mir gehorchen?«
Es ertönte keine Antwort, aber ein Stein flog an seinem Kopfe vorbei. Ich hatte die Hand gesehen, welche ihn erhob. Als der Stein schwirrte, saß meine Kugel bereits in dieser Hand; ein Schrei des Schmerzes erschallte, sie war zerschmettert.
»Seht Ihr nun, wie mächtig ich bin mit einem einzigen wahren Christen neben mir? Wie mächtig würden wir sein, wenn wir alle solche Christen wären! Wollt Ihr mir gehorchen?«
»Raba!« 4 rief eine
Weitere Kostenlose Bücher