Der Gitano. Abenteuererzählungen
Stimme.
»Gut. Ich werde aber dennoch Euer Häuptling sein. Komm, Herr!«
Ich behielt den Stutzen im Anschlage und verwendete kein Auge von den Leuten, während wir über die Lichtung schritten. Als wir den Saum des Waldes erreichten, sah ich zwischen den schlanken Palmenschäften hindurch eine kleine Prauenflottille sich der Insel nähern. Es war Potamo mit seinen Leuten. Die Unruhe hatte ihn herbeigetrieben. Ich machte den Häuptling darauf aufmerksam. Er blickte hinaus auf die See, und ein Zug der Freude glitt über sein Gesicht.
»Herr, könntest Du den Feind aufhalten, mir zu folgen?«
»Ja.«
»Wie lange?«
»Sage es!«
»Bis ich die Prauen dort unten losgebunden habe.«
»Ja.«
»So thue es! Du wirst sehen wenn ich fertig bin.«
Dieser Plan war allerdings vortrefflich, denn er gab die Malayen ganz in seine Hand, weil sie die Insel ohne ihre Boote nicht verlassen konnten.
Ich trat zum Kapitän.
»Laßt Eure Leute nur so im Anschlage liegen, Kapt’n.«
»Warum?«
»Wir verlassen den Platz erst dann, wenn wir die Fahrzeuge dieser Hallunken gekapert haben.«
»Vortrefflich! Habt Ihr Euch das ausgedacht?«
»Nein, der Häuptling selbst.«
»Kein übler Kopf! Könnte später Schiffsjunge bei mir werden; wollte dann schon etwas aus ihm machen!«
Zur Rechten hatten wir Felsen, die uns vollständig deckten, hinter uns den Rücken frei und vor uns und zur Linken den freien Platz, den wir mit unsern Gewehren bestreichen konnten. Wir waren also trotz unserer bedeutenden Minderzahl im Vortheile. Das sahen die Malayen jedenfalls ein, weshalb sie auch nicht die geringste Miene machten uns anzugreifen.
Freilich konnte diese Sicherheit nur bis zum Abend dauern; dann wären wir verloren gewesen. Daher freute ich mich, als ich bereits nach zehn Minuten eine ganze lange Reihe von Prauen sah, welche zusammengebunden waren und von dem Meeresstrome hinüber nach Manua getrieben wurden. In den zwei vordersten und der letzten saßen je ein Mann, welcher mit dem Ruder die gehörige Richtung einzuhalten suchte.
»Jetzt langsam zurück hinter die Bäume, Kapt’n, und die Schlucht hinab! Ich bleibe hier halten, bis Ihr in Sicherheit seid.«
»Well, Sir, das ist mir recht. Es wird mir langweilig hier oben.«
Er zog sich mit den Seinen leise zurück, während ich meine Stellung behauptete, bis ich dachte, daß sie Alle in Sicherheit seien. Dann trat ich hinter den nächsten Baum – einige schnelle Schritte hin zur Kluft, in großen gewagten Sprüngen hinab und dann hinein in die Doppelpraue, welche auf mich gewartet hatte und ganz nahe am Ufer lag. Kaum aber stieß sie vom Lande, so regnete es von oben einen wahren Steinhagel herab, und ein wahrhaft betäubendes Geschrei ließ uns erkennen, daß die Malayen eingesehen hatten, daß sie von jetzt an unsere Gefangenen seien.
Tui-Fanua hielt seine befreite Aimata in den Armen und dankte uns viel mehr für ihre als für seine Rettung.
»Noch bist Du nicht vollständig gerettet,« meinte ich.
»Warum?«
»Ihr Malayen schwimmt besser als die Fische. Wenn sie nun den Entschluß fassen nach Manua zu schwimmen.«
Er lächelte.
»Kennst Du den Hai?«
»Ich kenne ihn. Ich habe bereits mit ihm gekämpft.«
»So wirst Du auch wissen, daß sie nicht entkommen können.«
»Der Hai wird einige von ihnen verschlingen; die Andern aber erreichen das Land.«
Er lächelte wieder, dieses Mal aber sehr überlegen.
»Tui-Fanua weiß dafür zu sorgen, daß der Hai nicht blos einige verschlingt. Sage Deinen Leuten, daß sie hier auf der Mitte des Meeresarmes halten sollen!«
Ich that dies, und nun wurde das Segel, da es keinen Anker gab, in der Weise gestellt, daß die Praue nicht bedeutende Abtrift bekam. Jetzt sahen wir, daß die Malayen drüben auf Olosinga die Schlucht wieder besetzten und uns unter grimmigen Geberden mit ihren Keulen drohten.
»Schönes Abenteuer das!« meinte der Steuermann. »Sollten das ganze Volk braten und fressen. Fehlen nur am Ende die Pfefferkörner und Lorbeerblätter dazu!«
Wir lavirten bis zur Dämmerung. Da kamen zwei Doppelprauen herbei und hielten in unserer Nähe.
»Frage Deine Leute, Herr, ob sie in dieser Nacht mit wachen wollen!« bat mich der Häuptling.
Ich that es, und der Kapitän stimmte sofort bei.
»Natürlich wachen wir mit. Wer dem Ochsen einmal in den Kopf beißt, muß ihn auch bis mit dem Schwanze verschlingen.«
Von der einen Praue wurde uns ein ganzer Vorrath von getrockneten Fischen und Palmenfaserschnüren
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