Der Gitano. Abenteuererzählungen
abwehren.
Allein konnte mir dies unmöglich gelingen, aber die Matrosen hatten scharf unter den Wilden aufgeräumt und kamen nun herbeigesprungen, um sich der Praue zu bemächtigen. Nach kurzem Kampfe waren wir im Besitze derselben, und die übrig gebliebenen Wilden hatten ihre einfachen Prauen vom Lande gezogen und ruderten schleunigst davon.
Wir hinderten sie nicht, denn wir hatten unsern Zweck erreicht; die Gefangenen waren gerettet, und die große Praue befand sich mit Allem, was sie enthielt in unserer Gewalt. Wir konnten mit ihr leicht eine bewohnte Insel erreichen.
Der Kapitän trat mit erhitztem Gesichte auf mich zu.
»Drei habe ich spedirt! Was sagt Ihr dazu, Sir Latréaumont.«
»Daß Ihr ein außerordentlich tapferer Mann seid, Kapt’n. Aber kommt! Man muß zu den Gefangenen gehen.«
Ich schnitt Ihnen die scharfen Bastriemen von den Händen und den Füßen. Sie konnten vor Schmerzen nicht stehen, sondern mußten sitzen bleiben.
»Wer seid Ihr?« frug ich.
»Ich bin Potamo, der Häuptling von Manua,« antwortete der Eine.
»Und mich nennt man Tui-Fanua. Wir sind Brüder,« berichtete der Zweite.
Ich betrachtete ihn aufmerksam. Tui ist ein großer Herr, und Fanua ist der Gott des Krieges. Tui-Fanua war also ein Name, der auf hervorragende kriegerische Eigenschaften schließen ließ. Die Gestalt des Jünglings war allerdings eine reckenhafte, und als er sich jetzt trotz seiner schmerzhaften Glieder erhob, funkelte etwas in seinen Augen, was einen Feind erzittern machen konnte.
»Herr Du hast uns errettet aus der Hand unserer Feinde, unser Leben ist Dein. Was wirst Du mit uns thun?«
Ich lächelte ihm zu.
»Du bist frei, Du und Dein Bruder. Wie kamt Ihr in die Hand Eurer Feinde?«
»Herr, Tui-Fanua ist viel gefahren nach Süd und Nord, nach Ost und West; er hat Fanofute, Eua, Manuai und Assua gesehen, aber es gibt kein schöneres und kein besseres Land als das Land Samoa. Das beste aber, was Samoa besitzt, ist Aimata, die Rose von Manua. Tui-Fanua liebte sie, und sie liebte ihn und ward sein Weib. Auch Katua begehrte sie für seinen Sohn Omba, aber er bekam sie nicht. Da kamen die weißen Mitonare 3 nach Samoa. Sie brachten eine neue Religion, neue Menschen und neue Gesetze mit. Sie leugnen und beschimpfen unsern guten Gott Tangaloa; sie lachen über Mafuié, den Gott des Erdbebens und über Mesua, Faana und Tini-tini, die Götter des Blitzes, des Regens und des Sturmes. Ich und mein Bruder Potamo hier blieben dem Glauben unserer Väter treu, Katua aber und sein Sohn nahmen zum Scheine die neue Lehre an, denn sie hofften Macht und Hilfe von den weiße Männern, während sie doch im Geheimen noch immer Menschenfleisch aßen. Da plötzlich war Aimata, die Rose von Manua, die Perle und Sonne meines Lebens verschwunden. Ich und mein Bruder machten uns auf, um nach ihr zu forschen. Wir fanden sie in Katuas Dorfe. Er hatte sie geraubt, und der Mitonare sagte, daß sie eine Christin und das Weib Ombas werden solle. Ich sagte ihm, daß sie bereits mein Weib sei, er aber meinte, das gelte nichts vor ihm und seinem Gotte. Und als ich Aimata mit Gewalt wegnehmen wollte, wurden die Meinigen ermordet und wir Beide gefangen genommen. Morgen soll die Hochzeit Aimata’s mit Omba sein, und heut wurden wir im Stillen hierher geschafft, um als Festmahl verzehrt zu werden. Du hast uns gerettet.«
»Katua ist todt, meine Kugel hat ihn getroffen. War Omba auch hier?«
»Nein, er soll Aimata bewachen.«
»Gibt es auf Manua einen Hafen, in welchem die großen Schiffe der Weißen verkehren?«
»Nein, aber Tituila hat den großen Hafen Pago-pago, wo die Schiffe der Angli, Franki, Yanki und Hollandi liegen.«
»Kannst Du uns nach Pago-pago führen?«
»Auf dieser Praue? Ja, Herr!«
»Gut, so soll auch Tui-Fanua seine Aimata wiederfinden. Das verspreche ich Dir. Nicht wahr, Kapt’n?«
»Versteht sich, Sir,« antwortete der Kapitän, »nachdem ich ihm meine Unterhaltung mit dem Malayen verdolmetscht hatte. Wir haben den Mann gerettet, er rettet uns wieder, und da versteht es sich ja ganz von selbst, daß wir als Freunde an ihm handeln!« –
II.
Die Rache des Malayen
Die Schönheit und Fruchtbarkeit der Samoainseln erregte die Bewunderung aller Seefahrer, welche diese reizende Inselgruppe betraten. Nirgends hatten sie eine solche Pracht und Ueppigkeit der Vegetation gesehen, nicht einmal in Neuseeland oder Neu-Guinea, die doch durch ihre herrlichen Waldungen so ausgezeichnet sind. Leicht zu durchwandern ist hier
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