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Der Gitano. Abenteuererzählungen

Der Gitano. Abenteuererzählungen

Titel: Der Gitano. Abenteuererzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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oder der Hahn einer Büchse knacken, und es war vor allen Dingen nothwendig, das Lager zu alarmiren und die Jäger auf die Nähe der Indianer aufmerksam zu machen.
    »Greift zu, Sam; wollen die Indsmen unsichtbar machen.«
    »Habt Recht, Sir! Ist nothwendig das, meine ich. Aber die kleine Miß mag doch ein Wenig hinter die Büsche treten; ich wette meine Moccassins gegen ein Paar Balletschuhe, daß es in kurzer Zeit hier rothe Männer geben wird.«
    Sie folgte der Warnung des Alten, und ich verbarg mit seiner Hülfe die Leichen, welche wir vorsichtiger Maßen nicht in das Wasser stoßen durften, unter das Uferschilf. Als wir damit fertig waren, meinte Hawkens:
    »So, das wäre gethan, und nun geht Ihr mit der kleinen Miß nach der ›Festung‹ und warnt unsre Leute, während ich diese Spuren zurückgehen werde, um Etwas mehr zu erfahren, als die beiden Braunen uns gesagt haben, scheint es mir.«
    »Mögt nicht lieber Ihr zum Vater gehen, Sam Hawkens?« fragte Ellen. »Ihr versteht besser mit den Fallen umzugehen und vier Augen sehen mehr als zwei.«
    »Hm! Wenn die kleine Miß es nicht anders will, so muß ichs schon thun, meine ich; aber wenn ›der Stock anders schwimmt‹, als sie es jetzt denkt, so mag ich nicht die Schuld haben.«
    »Habt sie auch nicht, Alter! Wißt schon, daß ich nicht gern etwas Andres thue, als was mir beliebt. Eure zwei Scalps habt Ihr; muß sehen, daß ich mir mein Theil auch hole. Kommt, Sir!«
    Sie ließ den kleinen Trapper stehen und wandt sich durch das Dickicht weiter vorwärts. Ich folgte ihr.
    Obgleich es die Umstände erforderten, daß ich meine volle Aufmerksamkeit auf die Umgebung richtete, konnte ich doch nicht umhin, an das Verhalten des Mädchens zu denken, welche mit der vollständigen Gewandtheit eines erfahrenen Waldläufers sich geräuschlos durch das Gestrüpp arbeitete und in jeder ihrer Bewegungen ein Bild der angestrengtesten Vorsicht bot.
    Es war gar nicht anders möglich, sie mußte schon von Jugend auf mit dem Leben im »Jagdlande« vertraut sein, mußte Eindrücke empfangen haben, welche ihre Sinne geschärft, ihr Gefühl gehärtet und dem Laufe ihres Schicksales eine so ungewöhnliche Richtung gegeben hatten. Aber trotz alledem wirkte die vorhin gezeigte Nervenstärke fast erkältend auf mich, und die Glorie, mit welcher meine Erinnerung ihr Bild umgeben hatte, ward von der rauhen, rücksichtslosen Wirklichkeit verdunkelt.
    Die Angst, welche sie vorhin gezeigt, als ich im Begriffe stand, mich auf den Indianer zu stürzen, hätte mich in anderer Lage beseligen können; aber die dabei ausgesprochenen Worte »ich werde es an Eurer Stelle thun« mußten mir die Ueberzeugung geben, daß sie mit ruhigem Blute und ohne zaghaftes Bedenken ein Menschenleben zu zerstören vermöge, und ich konnte die Ansicht nicht von mir weisen, daß Büchse und Messer in den Händen des Mannes Waffen, in denen eines Weibes aber Mordinstrumente seien.
    Wohl beinahe eine Stunde lang waren wir ununterbrochen vorwärts gedrungen, als wir an eine zweite Biberkolonie kamen, deren Bewohner aber nicht außerhalb ihrer Wohnungen zu erblicken waren.
    »Hier hatten wir die Fallen gestellt, welche wir den Rothhäuten wieder abgenommen haben, Sir, und weiter droben theilt sich der
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ab, wo wir ursprünglich hin wollten. Doch wirds wohl anders kommen; denn, seht, die Spuren laufen nach dem Walde, aus welchem sie gekommen sind. Wir müssen sie verfolgen.«
    Sie stand im Begriffe, weiter zu gehen, als ich sie zurückhielt.
    »Miß Ellen!«
    Sie blieb stehen und sah mich fragend an.
    »Wollt Ihr nicht lieber umkehren und das Andre mir allein überlassen?«
    »Wie kommt Ihr auf diesen Gedanken?«
    »Kennt Ihr die Gefahren, welche unsrer da vorn vielleicht warten?«
    »Warum sollte ich nicht? Sie können unmöglich größer sein als diejenigen, denen ich schon getrotzt und die ich überwunden habe.«
    »Ihr müßt Euch erhalten!«
    »Das will und das werde ich ja auch. Oder glaubt Ihr etwa, daß mich der Anblick eines bunt bemalten Mannes zu erschrecken vermöge?«
    »Ich wollte, es wäre so!«
    »Wirklich?«
    Sie sprach das Wort langsam und gezogen aus, und ihre Auge ruhte mit forschendem Blicke auf meinem Angesichte. Aber ich sah ein leises und nach und nach sich immer mehr vertiefendes Roth in ihre Wangen steigen und wußte nun, daß sie mich verstanden hatte.
    Ihr Auge suchte den Boden, und ich bemerkte deutlich, daß sie mit ihren Gefühlen kämpfte.
    »Ist ein weibliches Wesen hassenswerth,

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