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Der Gitano. Abenteuererzählungen

Der Gitano. Abenteuererzählungen

Titel: Der Gitano. Abenteuererzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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die Zähne nehmend, vorwärts. Da flüsterte es ängstlich ganz nahe an meinem Ohre:
    »Bleibt, Sir! Ich werde es an Eurer Stelle thun.«
    »Danke, Miß Ellen! Das ist keine Frauenarbeit.«
    »So wollen wir in das Lager zurückkehren und –«
    Ich hörte die weiteren Worte nicht mehr, denn schon hatte ich den Rand des Gebüsches erreicht, sprang empor, hatte im nächsten Augenblicke den mir am Nächsten Stehenden der Indianer mit der Linken beim Nacken und stieß ihm mit der Rechten das Messer zwischen die Schultern, daß er sofort lautlos zusammenbrach. Rasch drehte ich mich mit der wieder zurückgezogenen Klinge zu Seite, um nöthigenfalls den Andern auch zu nehmen; aber auch dieser lag auf der Erde und Sam stand mit ausgespreizten Beinen über ihm, hatte sich die lange Scalplocke um die Linke gewickelt und zog ihm die losgeschnittene Kopfhaut vom Schädel.
    »So, mein Junge; nun kannst Du in den ewigen Jagdgründen so viel Fallen stehlen, wie es Dir beliebt, wenn ich nicht irre; aber die unsrigen wirst Du dort nicht gebrauchen können.«
    Und den blutenden Scalp im Grase abwischend, fügte er mit kurzem Lachen hinzu:
    »Das eine Fell haben wir, und das andere – aber
by god,
Sir, Ihr habt einen sichern Stoß und dazu das Herz grad richtig unter dem Pfeifenfutterale. Hätt’s nicht gedacht, meine ich, saht mir so – so – so unverheirathet aus. Aber wollt Ihr Euch nicht Euren Scalp nehmen?«
    » Meinen Scalp, Sam? Den werde ich am Liebsten da behalten, wo er mir angewachsen ist.«
    »Gut, gut, Sir; seid der rechte Mann, laßt Euch den Humor durch den Geruch eines Tropfens Indianersaft nicht verderben. Meinte aber dieses Rattenfell hier. Wollt wohl mir es lassen?« setzte er schmunzelnd hinzu.
    »Kann es nicht gebrauchen. Nehmt es!«
    »Danke, Sir, danke. Macht mir das größeste Gaudium, einen solchen Schnitt thun zu können, meine ich. Habe auch Grund dazu. Da seht her!«
    Er riß sich den traurigen Filz vom Kopfe und zog dabei die eigene, langhaarige Haut mit ab. Ich erschrak fast über den Anblick, welchen der kahle, blutigrothe Schädel bot.
    »Was sagt Ihr dazu, Sir, wenn ich mich nicht irre? Hatte meine Haube von Kindesbeinen an ehrlich und mit vollem Rechte getragen und kein Lawyer (Advocat) hat es gewagt, sie mir streitig zu machen, bis so ein Dutzend oder zwei Pawnce’s um mich waren und mir die Haare nahmen. Bin dann nach Tekama gegangen und habe mir dort eine neue Haut gekauft. Nannten es eine Perücke und kostet mich zwei dicke Bündel Biberfelle, meine ich. Schadet aber Nichts; denn die neue ist zuweilen pracktischer als die alte, besonders im Sommer; kann sie abnehmen, wenn mich schwitzt. Aber trotzdem hat manche Rothhaut dafür untergehen müssen und ein Scalp macht mir mehr Vergnügen als der feinste Dickschwanz.«
    Während dieser Worte hatte er sich Hut und Perücke wieder aufgestülpt und den zweiten Indianer die Kopfhaut genommen. Der alte Mann war von mir unterschätzt worden. Er war trotz seiner unansehnlichen Gestalt eine jener eisernen, im Kampfe mit den Elementen und in tausenderlei Gefahren gestählten Naturen, wie sie der Westen so zahlreich bietet. Und als er unter derb scherzenden Worten aber mit von Haß und Grimm verzerrten Zügen und wuthblitzenden Augen sich über die Leiche beugte und raschzuckenden Schnittes mit dem Messer um Stirn und Schläfe derselben fuhr, machte er auf mich den Eindruck der wildesten Unversöhnlichkeit.
    Ich wandte mich ab, von jenem vor mir selbst grauenden und der Reue ähnlichen Gefühle erfüllt, welches in den Herzen aller Derer wohnen sollte, welche die stolzen Nationen der amerikanischen Savannen heimathslos und vogelfrei erklärt mit Gift, Feuer und Schwert gelichtet und zwischen die Cannons der Felsengebirge getrieben haben, wo ihnen nur die Wahl bleibt, ruhm-und ehrlos hinzusterben oder mit kämpfender Hand den Todtesstoß zu empfangen.
    Vor mir stand Ellen. Ihr Auge ruhte mit einem Blicke auf den beiden entseelten Körpern, der mich durchfröstelte und von ihr abstieß, und erst nach und nach, als sie es zu mir erhob, bekam es einen freundlicheren Ausdruck.
    »Warum nahmt Ihr den Scalp nicht für Euch, Sir?« fragte sie. »Habt schon Winnetou einen gelassen.«
    Von einem weiblichen Wesen ausgesprochen, war mir diese Frage vollständig unbegreiflich und ich antwortete deßhalb auch nur mit einem Blicke des Erstaunens. Auch war hier der Ort gar nicht zu zartsinnigen Bemerkungen; denn hinter jedem Baume konnte die Sehne eines Bogens schwirren

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