Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Gitano. Abenteuererzählungen

Der Gitano. Abenteuererzählungen

Titel: Der Gitano. Abenteuererzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
auch ich hatte meine wenigen Habseligkeiten zusammengepackt und stand, das Dampfboot erwartend, am Landeplatze, um nach St. Louis zu gehen, wo Verwandte meiner Ankunft warteten.
    Ned, der alte, grauköpfige Neger, welcher als Factotum meines Hotels mir seine besondere Zuneigung geschenkt und jetzt den Koffer getragen hatte, lehnte neben mir an einem der Eisenkrahnen, welche bestimmt sind, die ungeheuersten Lasten an und vom Bord zu heben und machte mit grinsendem Zähnefletschen seine drolligen Bemerkungen über die verschiedenartigen Gestalten, welche geschäftig um uns wogten. Da plötzlich packte er mich am Arme und gab mir eine andere Stellung, so daß ich den Blick nach rückwärts werfen mußte.
    »Sehen Master dort Indian?«
    »Welchen? Meinst Du den finstern Kerl, welcher grad auf uns zusteuert?«
    »Yes, yes, Master! Kennen Master Indian?«
    »Nein.«
    »Indian sein groß Häuptling von Sioux, heißen Inn – nu – woh, sein best’ Schwimm’ in United – States.« (Vereinigten Staaten).
    »So, dazu gehört viel.«
    »Well, well, Sir; aber so sein, actually (wirklich) so sein!«
    Ich entgegnete Nichts und sah mir den Mann, welcher jetzt in stolzer Haltung an uns vorüberschritt, genau an. Sein Name war mir nicht unbekannt, oft sogar hatte ich von ihm erzählen hören, aber immer an der Wahrheit der wunderbaren Geschichten: welche über seine Fertigkeit und Ausdauer im Schwimmen coursirten, gezweifelt. Er war von nicht gar zu hoher Gestalt; aber der Bau seines gedrungenen Körpers und insbesondere die Breite seiner Brust machten mich in meinem bisherigen Unglauben doch Etwas wankend.
    In diesem Augenblicke kam eine offene Equipage, in welcher ein ältlicher Herr und eine junge verschleierte Dame saßen, dahergerollt. Mit etwas ungewöhnlicher Rücksichtslosigkeit drängte der reich gallonirte Kutscher das Geschirr durch die Menge und knallte mit der Peitsche um die Ohren der im Wege Stehenden. Erschrocken fuhren die Leute auseinander, und nur der Indianer schritt ruhig weiter und wich kein Haar breit von seiner ursprünglichen Richtung ab. War ja doch zur Seite Platz genug für den herrschaftlichen Wagen, welcher ebenso gut drüben auf dem kurzen Setzpflaster wie hier auf den glatten, breiten Quadern fahren konnte.
    »Weg da vorn, Rothhaut, oder bist Du etwa taub?« rief der Rosslenker, und als der Angeredete trotz des lauten und barschen Zurufes ohne sich umzudrehen seinen Weg fortsetzte, fuhr er, die Peitsche schwingend, fort: »Troll Dich bei Seite, Nigger, oder meine Peitsche zeigt Dir den Weg!«
    Obgleich das Wort Nigger die größte Beleidigung für einen Indianer enthält, schien der Voranschreitende dieselbe doch nicht zu beachten, sondern ging langsam weiter. Da knallte die Peitsche, und der Riemen derselben strich dem rothen Manne grad über das Gesicht, so daß die Spuren des Hiebes sofort zu bemerken waren. In demselben Augenblicke aber stand der Getroffene auch schon auf dem Bocke, riß dem ungezogenen Burschen mit einem von unten nach oben geführten Hiebe Lippe und Nase auf, hob ihn dann vom Sitze und schmetterte ihn mit solcher Wucht herunter auf die Steinplatten, daß er alle Viere von sich streckte und lautlos liegen blieb.
    Diese Bewegungen waren so schnell geschehen, daß der im Wagen sitzende Herr nicht Zeit hatte, seinem Untergebenen zu Hilfe zu kommen; jetzt aber riß er einen Revolver aus der Tasche und, denselben auf den Indianer richtend, rief er:
    »Zounds, (alle Wetter) Canaille, das ist für Dich, wenn er nicht in einer Minute wieder auf dem Bocke sitzt!«
    Ohne mit der Wimper zu zucken oder eine Miene zu verziehen, nahm der Bedrohte die Büchse von der Schulter, legte sie auf den Yankee an, und ganz gewiß wäre es zwischen den Beiden zu einer ernsten That gekommen, wenn sich nicht einige schnell hinzugetretene Policemans dazwischengestellt und durch ihr Bitten den Besitzer der Equipage bewogen hätten, die Waffe an sich zu nehmen.
    »Bitte, fahrt weiter, Sir,« mahnte der eine von ihnen. »Euer Kutscher hat sich erhoben und wird wohl, das zerrissene Gesicht abgerechnet, keinen Schaden genommen haben. Der Unvorsichtige mußte wissen, daß nach den Gesetzen der Indianer ein Schlag nur mit dem Tode gesühnt werden kann.«
    Nach Art und Weise der Amerikaner, welche sich nie in die Händel Anderer mischen und ihr Interesse an einem Streite nur dadurch bethätigen, daß sie Raum zum Ausfechten desselben geben, hatten die Umstehenden einen Kreis um den Wagen gebildet, um zu sehen,

Weitere Kostenlose Bücher