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Der Gitano. Abenteuererzählungen

Der Gitano. Abenteuererzählungen

Titel: Der Gitano. Abenteuererzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Gerechtigkeit näherten sich meinem braven Haushofmeister, um die stets gern gesehene Execution an ihm zu vollziehen. Mit angstvollen und hülfesuchenden Blicken flehte er zu mir herüber.
    »Besch juhs, gebt ihm fünf Hundert!« lautete der Befehl.
    Jetzt erhob ich mich.
    »Laß die Diener Deiner hohen Gerechtigkeit noch ein Wenig verziehen, o Bimbaschi, und wirf den Blick Deines erleuchteten Auges auf diese Schrift!«
    Ich winkte Omar und ließ durch ihn den Fermahn überreichen.
    »Was soll’s mit diesem Schreiben?«
    »Ich fordere, daß Du die ersten Worte desselben laut vorliesest oder durch Deinen Sahbeth-Effendi vorlesen lässest!«
    Er gab das Pergamentpapier seinem Secretair, und dieser las:
    »Der Inhaber dieses Buiruldu ist der Kapitän-Effendi N.N. aus N., der auf Befehl seines Königs in Egypten, Nubien und Habesch reist –«
    »Halt, jetzt weißt Du, wer ich bin, und nun befiehl Deinem Diener, die letzten Zeilen zu lesen!«
    Es geschah.
    »Es ist ihm alle Ehre zu erweisen; man soll ihm Schutz und Hülfe geben und seine Wünsche so erfüllen, daß er bei seiner Rückkehr uns nur Gutes von unserem Lande erzählen kann!«
    Das Gesicht des ehrwürdigen Bei wurde bei diesen Worten um Einiges länger, als es vorher gewesen war. Noch größer aber wurde seine Unruhe, als ich fortfuhr:
    »Willst Du mir wohl sagen, o Bimbaschi, welche Ehre ein Beamter dem Fermahn Seiner Majestät zu erweisen hat? Du hast ihn in die Hand genommen und wieder fortgegeben, wie eine Düte, aus welcher die Datteln gefallen sind!«
    »Ich wußte nicht, daß Du einen Fermahn besitzest.«

    »Gut. Ich werde Seiner Unübertrefflichkeit erzählen, daß Du zuweilen Etwas nicht weißt, was Du doch wissen solltest. Aber noch schlimmer ist es für Deine Seele, daß Du nicht gelernt hast, den Kläger von dem Angeklagten zu unterscheiden. Wer hat Dir befohlen, den Verbrecher mit Ehren zu überhäufen und den Beschädigten zu verurtheilen, ohne ihn zu hören?«
    Eine lautlose, tiefe Stille war während meiner Worte unter der vorher ziemlich unruhigen Versammlung eingetreten. Das Gesicht des Beamten bekam einen geradezu unbeschreiblichen Ausdruck totaler Verblüffung, und vollständig rathlos wanderte sein kleines, nichtssagendes Auge zwischen mir und Abrahim-Arha hin und her. Dieser Letztere war von seinem Divan emporgefahren und rief:
    »Kelb, Hund, was wagest Du?«
    Ohne diese Beschimpfungen zu beachten, fuhr ich fort:
    »Ich bin es, o Bimbaschi, der hier die Klage zu erheben hat. Ich klage diesen Mann, den Ihr jetzt Abrahim-Arha nennt, um seine früheren Thaten zuzudecken, des Frauenraubes an. Er hat meine Freundin mit Gewalt entführt, und sie ist nicht eine Tochter des Islam, sondern eine Christin. Ich habe sie seinen Händen wieder entrissen, wie es mir die Pflicht und die Gerechtigkeit gebot, und Du willst uns bestrafen, Sahbeth-Bei? Allah schenke Deinem Geiste Licht, damit Du thust, was ihm und Deinem Herrscher wohlgefällt!«
    Es gehörte die ganze in diesem Lande so nothwendige Unverfrohrenheit dazu, in dieser Weise die Situation geradezu auf die Spitze zu stellen; aber während sich der Bei unter der Last meiner Worte förmlich zusammenbückte, brachten sie bei dem von mir Beschuldigten die gerade entgegengesetzte Wirkung hervor. Er riß, vor Wuth Alles um sich her vergessend, den Dolch aus dem Gürtel und stürzte mit einem heiseren Brüllen auf mich los. Ich war ihm sowohl an Körperkraft, als auch an Besonnenheit überlegen, entwaffnete ihn mit einem raschen Griffe und warf ihn meinem Diener in die bereitwilligen Arme, die sich sofort wie ein Schraubstock um ihn schlossen.
    »Bimbaschi, bist Du hier Obrigkeit, oder soll ich selbst mich schützen?« rief ich jetzt, den Revolver ziehend.
    Das gab ihm die nöthige Thatkraft zurück, und wie er erst gedankenlos gegen mich gewesen war, so wandte er sich jetzt ohne Mäßigung gegen den wuthschnaubenden Hedjahn-Bei.
    »Bindet ihm Hände und Füße und schafft ihn in das Gefängniß. Der Fall ist schwer; ich werde über ihn nachdenken und ein gerechter Richter sein!«
    Sei mir gegrüßt, Kahira, du herrliche., wüstenbegrenzte, gärtenumlegene, palmenumstandene Königin Egyptens! Sei mir gegrüßt mit deinem milden Himmel, deinen schlanken Minarets, deinen kühlen Straßen, deinen rauschenden Platanen und früchtereichen Sykamoren, deinen balsamduftenden Orangenhainen und dattelschweren Palmen! Ich grüße euch, ihr sarazenischen Häuser, ich grüße dich, o blumenreiche Esbekïe, ich

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