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Der Gladiator

Der Gladiator

Titel: Der Gladiator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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Frau das Atrium. Der rötliche Schimmer ihrer Haare stand in anmutigem Kontrast zu ihrer dunkelgrünen Tunika. Sie lächelte den Gästen freundlich zu. Domitius sagte: »Antonia, das ist der Gladiator Vitellius und sein Schreiber Cornelius Ponticus.« Und zu Vitellius gewandt, sagte er: »Das ist meine Frau Antonia.«
    »Aber das ist doch nicht möglich!« wäre es beinahe Vitellius entfahren. »Das ist doch nicht deine Frau Antonia. Mit deiner Frau habe ich im Garten des Lucullus geschlafen!« Doch er brachte kein Wort hervor, starrte die Frau an, und ganz allmählich fiel es ihm wie Schuppen von den Augen: Er war einer raffiniert eingefädelten Intrige zum Opfer gefallen. Seine Konkurrenten hatten einen Lockvogel auf ihn angesetzt, um ihn und seine Geschäfte auszuforschen, und er, der naive Gladiator, war ihnen auf den Leim gegangen, hatte in seiner Sinnlichkeit wichtige Geschäftsgeheimnisse preisgegeben und so sein Unternehmen an den Rand des Ruins gebracht.
    »Wenn du meine Frau noch länger so anstarrst«, hörte er Domitius sagen, »dann habe ich Grund zur Eifersucht.«
    »Das brauchst du nicht«, sagte Vitellius, »das brauchst du wirklich nicht!« und verabschiedete sich.
    Vor dem Portal meinte Vitellius zu seinem Schreiber: »Ich hätte es wissen müssen. Man darf sich an der Mulvischen Brücke mit keiner Frau treffen. Das wurde mir schon einmal zum Verhängnis. Die Braut eines Gladiators ist die Arena.«
    Cornelius blickte ausdruckslos vor sich hin. Er verstand kein Wort von dem, was sein Herr gesagt hatte.

K APITEL 15
    V itellius keuchte. Der Schweiß kräuselte seine buschigen Barthaare. Mit bandagierten Fäusten drosch er gegen einen dicken, senkrecht aufgehängten Baumstamm. Jeder Schlag setzte sich schmerzvoll von den Knöcheln bis in die Schultergelenke fort.
    »Schneller«, brüllte Polyclitus, »und mit mehr Kraft. Du mußt deine Schläge abschießen wie Wurfgeschosse!«
    Der Gladiator taumelte. Der Schmerz in den Armen lähmte seine Kraft. Vitellius hatte Angst vor dem Schmerz.
    »Finis!« rief Polyclitus. »Schluß!« Der Trainer ging auf Vitellius zu, sah ihm in die Augen und sprach leise: »Wenn du so weitermachst, wirst du bei deinem ersten Kampf im Sand der Arena landen. Du bist fett und verweichlicht, du kannst nicht mehr mithalten mit den Jüngeren. Du wirst Kämpfern gegenüberstehen, die nur halb so alt sind wie du. Was willst du in dieser Verfassung gegen sie ausrichten?«
    »Ich habe die Erfahrung von drei Decennien«, sagte Vitellius. Polyclitus schwieg. Der Gladiator bemerkte, wie unsinnig seine Antwort gewesen war. Die richtige Antwort hätte gelautet: »Ich muß in die Arena zurück.« Drei Tage vor den Saturnalien hatte Vitellius seiner Frau Tertulla den Scheidebrief überreicht, der die Ehe aufhob. Das war ein formloser Akt wie die Eheschließung. Nach den augusteischen Ehegesetzen blieb das Vermögen der Eheleute getrennt, so daß Vitellius die Geschäfte seiner Frau überlassen mußte und selbst nur auf das zurückgreifen konnte, was er als Gladiator verdient hatte. Sein Stolz hätte es ihm aber auch gar nicht erlaubt, auch nur einen Sesterz aus dem Vermögen Tertullas zu nehmen.
    »Ich gehöre in den Staub der Arena«, sagte der Gladiator, während er in den Sand starrte, »und wenn es sein soll, werde ich darin umkommen. Ich habe mich nie nach Purpur und Fasces gedrängt. Macht, Einfluß und Reichtum sind mir stets aufgedrängt worden.«
    »Aber wenn du den Entschluß gefaßt hast, wieder zu kämpfen«, entgegnete Polyclitus, »dann darfst du nie mit dem Gedanken in die Arena steigen, du könntest umkommen. Ein Gladiator kennt nur einen Gedanken, und der heißt Sieg.«
    »Guter Polyclitus«, sagte Vitellius und legte seinem Trainer die Hand auf die Schulter, »ich verdanke dir viel und weiß, daß du es gut meinst, doch muß ich mich erst wieder an solche Töne gewöhnen. Nun aber sage ehrlich, kann ich es noch einmal schaffen?«
    Polyclitus wiegte den Kopf hin und her: »Du kennst ja das Sprichwort, ein Gladiator, der einmal einen Kampf von der Tribüne gesehen hat, sollte nie mehr in die Arena zurückkehren. Und in der Tat endeten bisher alle Versuche tragisch. Aber wenn es einen gibt, der dieses ungeschriebene Gesetz durchbrechen könnte, dann bist du es, Vitellius. Die Götter mögen dir beistehen.«
    Wortlos umarmte Vitellius seinen Trainer. Dann sagte Polyclitus: »Als ich dich unter meine Fittiche nahm, warst du ein ranker, flinker Bursche, dem es an Kraft und

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