Der Gladiator
der Liebe versagt haben. Und wie du siehst, sind es vor allem wohlhabende Leute, die sich die Liebe kaufen müssen, Equites mit schmalen Purpurstreifen an der Tunika, ja sogar Senatoren, kenntlich am breiten Purpur ihrer Toga. Wer zur Mulvischen Brücke kommt, will kaufen oder gekauft werden.«
Cäsonius bemerkte die Betroffenheit im Gesicht des jungen Vitellius. »Du«, fragte er vorsichtig, »du bist noch nicht eingeweiht in die Freuden von Venus und Cupido, noch nie von den schlanken Beinen einer Frau umschlossen worden? Hast noch nie die harten Schenkel eines Mannes auf den deinen gespürt?«
Vitellius schüttelte den Kopf, während er mit den Augen neugierig das pittoreske Treiben um sich aufsog. Da standen Frauen herum, deren Schönheit den Tag blenden konnte. Eine hatte offene rote Haare, sie trug eine seidene Tunika, deren Faltenwurf ihre Weiblichkeit noch hervorhob. Kam ihr ein Mann entgegen, stützte sie beide Arme an den Hüften ab und drehte sich mit einem Lächeln nach allen Seiten. Ein rundlicher Römer, der gewiß mehr als zwei Pferde sein eigen nennen konnte, trat an die Schöne heran und öffnete ihr ausladendes Dekolleté, als wollte er kontrollieren, ob sie hielt, was ihr Seidengewand versprach.
»Das ist Cynthia«, raunte Cäsonius dem Jungen zu, »sie verlangt zwei Aurei, davon könntest du ein Jahr lang leben. Unglaublich, aber die dummen, dummen Männer zahlen das auch noch gerne. Nicht etwa wegen ihrer Schönheit, schöne Frauen gibt es genug in Rom, und du kannst sie schon für einen As haben, nein, sie zahlen, weil Cynthia die Frau eines einflußreichen Senators ist. Aber Frau ist doch Frau. Glaubst du, daß sie besser ist?«
Vitellius schwieg; dann meinte er: »Hat denn in Rom die Lex Julia keine Gültigkeit?«
Cäsonius lachte: »Teurer Freund, in Rom ist alles erlaubt, was gefällt. Und ist es mit einem ausdrücklichen Verbot belegt, so findet sich immer ein passendes Gesetz, das dieses außer Kraft setzt. So wie der göttliche Kaiser Caligula seine Schwester Drusilla ehelichen durfte, obwohl das Gesetz dem entgegenstand, so kann Cynthia öffentlich die Ehe brechen und sich dafür sogar entlohnen lassen. Um der Verfolgung durch die Behörden zu entgehen, ist sie beim Ädil als Prostituierte gemeldet, sie zahlt die offizielle Dirnensteuer, das tun viele vornehme Frauen. Man erzählt sich, sogar ihr Mann müsse bezahlen, wenn er mit ihr schlafen will.«
»Bei der Gottheit der Venus und Roma«, sagte Vitellius beeindruckt, »noch nie habe ich eine so begehrenswerte Frau gesehen.«
»Zügle dein Herz und nimm es an die Leine!« lachte Cäsonius, »es ist nicht Sache eines Mannes, in den ersten besten Apfel zu beißen. Vor allem aber, Freund, sei dir bewußt, nicht grell bemalte Weiber verschaffen dir die höchste Sinneslust, nein, unser eigenes Geschlecht ist's, das Cupido, der Venus Sohn, uns nahebringt. In jeder Frau steckt eine Danaide, bereit, den Mann noch in der Brautnacht zu ermorden. Die wohlfeilen Töchter der Venus freilich, die du hier siehst, zücken keine Dolche, obwohl manch eine solch ein Silberspielzeug unterm Gürtel trägt – sie morden dich nach erbrachter Leistung mit Verachtung. Bezahle eine Frau, sie wird dich mitleidig belächeln, ein Mann, den du entlohnst, wird dir ein Freund fürs Leben sein.«
Während Cäsonius redete, schaute Vitellius in die käufliche Runde. Es waren mindestens ebenso viele Jünglinge und Knaben wie Frauen, die sich hier feilboten. Männer des Staates oder einträglichen Handels kamen, flankiert von zwei, manchmal sogar vier Sklaven. Mit dem Ruf: »Platz da für den großen Pansa!« boxten sie ihren Herrn durch das Menschengewühl. Ein anderer machte auf der steinernen Brücke halt, musterte Cäsonius und Vitellius mit verächtlichen Blicken, drehte sich um und sagte, an einen seiner Sklaven gewandt: »Schaff mir Erleichterung!« Der Angesprochene verneigte sich kurz, raffte die Tunika seines Herrn, zog vorsichtig dessen Männlichkeit hervor und hielt sie in den warmen Frühlingsabend. Ein weiter Strahl ergoß sich in den Tiber. Außer Vitellius nahm kaum jemand Notiz von dieser Handlung.
Sklaven lenkten hochgeräderte Wagen durch die Menge. Die meisten waren einachsig und maultierbespannt, ein Baldachin ersetzte das Dach, Vorhänge die Seitenwände. Wurden die Vorhänge beiseite gezogen, so konnte man mit schnellem Blick den nackten Körper einer Frau erkennen, die sich in lasziven Bewegungen den Gaffern preisgab.
»Das sind die
Weitere Kostenlose Bücher