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Der Gladiator

Der Gladiator

Titel: Der Gladiator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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grausame Schauspiel.
    Unbemerkt vom tobenden Publikum hatten oben, im vierten Rang, achtzig Speerwerfer Aufstellung genommen. Über die Köpfe der Zuschauer hinweg schleuderten sie ihre Geschosse auf ein Kommando in die Arena, wo sie in der Mitte im Sand steckenblieben und einen Kreis bildeten. Gewollt oder ungewollt hatte ein Speer sich verirrt und einen Zwerg durchbohrt. Die Römer lachten und trampelten mit den Füßen.
    »Ave Cäsar, morituri te salutant!« riefen die Kämpfer zur Kaiserloge hinauf. Titus, umgeben von schönen jungen Männern und dem farbenprächtigen Hofstaat, streckte huldvoll den Arm aus.
    Der vierzigjährige Kaiser war sehr beliebt bei seinem Volke. Mit Großbauten wie dem Amphitheater und den nahegelegenen Thermen hatte er vielen arbeitslosen Handwerkern und Künstlern Brot gegeben. Er hatte die Todesstrafe für römische Bürger abgeschafft und sein Volk, das unter den chaotischen Kaisern seit Nero gelitten hatte, befriedigt. Daß er gleichzeitig ein Anhänger grausamer Tierhetzen und Gladiatorenkämpfe war, erhöhte seine Beliebtheit nur noch.
    Inzwischen verließen Gladiatoren und wilde Tiere die Arena. Eine Sklavenschar glättete den Sand, in dem jeder Fußtritt zu erkennen war. Noch ahnten die Zuschauer nicht, daß sich darunter eine Wasserlandschaft verbarg mit exotischen Seeungeheuern, Nilpferden und Krokodilen, auf der sich Schiffe naturgetreue Seegefechte liefern würden.
    Voll Spannung starrten die Zuschauer auf den furchterregenden Unterweltgeist Charon, der mit ausgestrecktem Schwert auf das monumentale Eisenportal zuschritt und dreimal dagegenschlug. Unter Fanfarenschall öffneten sich die Torflügel, und auf einmal stand der Gladiator Gaius Vitellius in der monumentalen Arena.
    Die Römer erkannten ihn sofort, überschütteten ihn mit Beifall, warfen Blumen und bunte Tücher in den Sand. »Heil dir, Vitellius!« Der Gladiator hob die Arme, lachte. Gesetzten Schrittes strebte er der Mitte zu, verneigte sich vor dem Kaiser, grüßte nach allen Seiten. Gesten eines Gladiators. Hunderte Male absolviert. Wer konnte ahnen, welche Tragödie sich dahinter verbarg?
    Er trug nur ein Tuch um die Lenden, das er zwischen den Beinen hindurchgeschlungen und in der Taille verknotet hatte. Sein muskulöser Körper wirkte durchtrainiert wie der eines Jungen. Als einzige Waffe diente ein Dolch, der an der Seite steckte. So wartete er konzentriert auf seinen Gegner.
    Im weiten Rund des Amphitheaters war es still geworden. Alle Augen richteten sich auf das schwere Eisengitter, dem Vitellius sein Gesicht zuwandte. Da fuhr es krachend in die Höhe, und in der Öffnung stand der Gegner, ein wildschnaubender schwarzer Stier.
    Ein Aufschrei des Entsetzens pflanzte sich über die Ränge fort, wich dann aber anerkennendem Beifall und Bewunderung für den Mut des Gladiators. Das riesenhafte Tier scharrte zornig im Sand, peitschte nervös mit dem Schwanz, senkte den Kopf und richtete die langgebogenen spitzen Hörner nach vorn. Wie von einem Katapult geschleudert, preschte es plötzlich auf Vitellius zu.
    Er rührte sich zunächst nicht von der Stelle, hielt den Kopf schräg geneigt. Die Zuschauer hielten das für eine Art Mutbezeugung, kreischten und applaudierten. Nur einen Sprung war das Tier noch vom Gegner entfernt, da drehte Vitellius sich zur Seite. Der Stier raste ins Leere.
    »Vitellius, Vitellius!« hallte es von den Rängen, Beifall, auf den der Gladiator diesmal gern verzichtet hätte; denn der Lärm war so groß, daß er sich an den Geräuschen, die das Tier verursachte, nicht mehr orientieren konnte. Hilflos drehte er sich um sich selbst, was aber noch größere Ovationen verursachte, weil die Zuschauer sich darüber begeisterten, daß Vitellius dem Tier den Rücken zuwandte.
    Schnaubend senkte der Stier den Kopf und nahm von neuem Anlauf. Vitellius spürte das Vibrieren des Bodens; aber er wußte nicht, aus welcher Richtung die Bestie kam, er wußte nur, je lauter das Kreischen des Publikums wurde, desto näher war der Stier. In seiner Hilflosigkeit streckte er die Arme aus, als wolle er ihn aufhalten: aber so war dem rasenden Tier nicht beizukommen.
    Vitellius bekam mit der Linken ein Horn zu fassen, ließ sich einige Meter mitschleifen und versuchte unter Aufbietung aller Kräfte seine Rechte um den Hals des Tieres zu legen. Es mißlang. Er ließ sich fallen, spürte einen Huftritt in den Rippen, daß er sich krümmte, atmete tief und kam wieder auf die Beine.
    Ekelhaft drang der beißende

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