Der gläserne Drache
Anina, kommt mit!“
Der Wirt führte sie durch die Gaststube zu einer Tür, hinter der ein enger Gang lag. Rechts und links befanden sich dort zwei weitere Türen, die er nun öffnete. Die Stube auf der linken Seite war geräumiger und hatte ein breites Bett. Die rechte war eine kleine Kammer mit zwei schmalen Schlafpritschen, auf denen Strohsäcke lagen.
Romando wies auf die rechte Stube und sagte höhnisch: „Dort werdet ihr schlafen. Ich denke, es wird euch an zuhause erinnern.“ Dann wandte er sich an den Wirt und sagte „Lass‘ mir das Essen und einen kleinen Krug deines besten Weins auf mein Zimmer bringen. Ich bin müde und werde mich früh niederlegen. Und wecke alle im Morgengrauen!“
Dann ging er in das linke Zimmer und schloss die Tür hinter sich.
Die Mädchen kehrten in die Gaststube zurück.
Auch sie waren müde. Obwohl sie nicht schnell geritten waren, spürten Tamira und Anina doch jeden Knochen im Leib, denn sie waren nicht gewöhnt, so lange im Sattel zu sitzen.
Seufzend ließen sie sich bei Tanis und Wigo am Tisch nieder, den die Wirtsfrau zwischenzeitlich gedeckt hatte. Kurz darauf traten auch die beiden Männer ein und setzten sich zu ihnen.
„Ah, das tut gut!“ sagte Wigo und reckte seine Glieder. „Ich hatte schon das Gefühl, dass ich langsam am Sattel festwachse. Romando könnte wirklich ein wenig mehr Rücksicht auf die Mädchen nehmen und öfters eine Pause einlegen, bis wir uns alle an einen vollen Tagesritt gewöhnt haben.“
„Auf die Mädchen oder auf dich?“ grinste Malux. „Aber gebt euch keinen falschen Hoffnungen hin!“ Er sah die vier jungen Leute mitleidig an. „Romando wird keinerlei Erbarmen mehr zeigen. Für ihn zählt ab sofort nur noch die Erreichung seines Ziels, und er wird euch nicht schonen, wenn ihr nicht vor Erschöpfung zusammenbrecht.“
„Wo will er denn überhaupt hin?“ meldete sich auf einmal Porgan, der den ganzen Tag so gut wie kein Wort gesprochen hatte.
Tamira öffnete den Mund zu einer Erklärung, wurde aber von Tanis unter dem Tisch getreten. Er hatte ihr angesehen, dass sie vergessen hatte, dass angeblich keiner von ihnen den Zweck ihrer Reise wissen konnte.
„Wir wissen es auch nicht, Porgan“, sagte er daher schnell. „Romando erwähnte eine Drachenhöhle, aber wo diese ist und was er dort will, hat er uns nicht gesagt.“
Malux atmete erleichtert auf, denn auch er hatte befürchtet, dass Tamira sich verplappern würde.
„Drachenhöhle?“ fragte Porgan entsetzt. „Das verheißt nichts Gutes! Meine Großmutter stammt aus einem Dorf, das in der Nähe der östlichen Berge liegt. Sie hat mir als Kind oft von den unheimlichen Wesen erzählt, die in den riesigen Wäldern an den Hängen des Gebirges hausen sollen.
Und sie sagte, dass in den Bergen immer noch der Geist eines Drachen umgehen soll, der in grauer Vorzeit dort getötet wurde. Daher wagt niemand, dieses Gebiet zu betreten.
Hätte der Herr mir gesagt, wohin die Reise gehen soll, hätte ich seinen Dienst verlassen. Aber er sagte nur, dass ich ihn auf eine Reise begleiten muss, die ein paar Wochen dauert.
Ich habe keine Angst, mich gegen Raubgesindel zur Wehr zu setzen, aber mit übernatürlichen Dingen will ich nichts zu tun haben! Gleich morgen werde ich ihn fragen, und wenn er wirklich dorthin will, kehre ich in die Hauptstadt zurück!“
Die anderen blickten sich bedeutungsvoll an. Armer Porgan! Sie wussten alle genau, dass Romando ihn zwingen würde, auch weiterhin mit ihm zu gehen.
Aber was hätten sie dagegen tun sollen? Der Knecht war nicht wie sie alle durch das Ritual gegen Romandos Zaubersprüche gefeit, und keiner von ihnen hatte die Macht, Porgan dem Zugriff des Zauberers zu entziehen. Und selbst wenn sie es gekonnt hätten, die Verwendung eines normalen Schutzzaubers hätte sie an Romando verraten.
So konnten sie nur hoffen, dass sie auch den Knecht befreien konnten, sollte es ihnen gelingen, die Macht des Zauberers zu brechen.
Sie waren mittlerweile mit dem Essen fertig. Porgan erklärte, dass er sich schon schlafen legen wollte.
„Wir gehen noch in den Pferch, um zu sehen, wie es Tisu geht“, sagte Malux, „dann gehen wir auch schlafen.“
Das Fohlen schlief völlig erschöpft in der Nähe seiner Mutter auf einem Strohhaufen. Alle mussten lachen, denn sie konnten sich genau vorstellen, wie müde der kleine Kerl war. Ihnen selbst ging es ja auch nicht anders.
Malux schaute sich um.
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