Der gläserne Drache
Da niemand in der Nähe war und das Fenster von Romandos Zimmer zur anderen Seite des Hauses hinausging, sagte er zu den Freunden:
„Ich weiß, dass wir alle das Gleiche denken. Aber wir können nichts dagegen tun. Romando wird Porgan nicht verletzen, er wird ihm nur seinen Willen aufzwingen, denn er braucht ihn noch. Ansonsten wird sich für den Knecht nicht viel ändern, da er gewohnt ist, seinem Herrn zu gehorchen.
Aber zumindest brauchen wir nun nicht mehr zu verbergen, dass wir wissen, wohin die Reise geht. Romando wird sich denken können, dass Porgan uns von den Geschichten seine Ahne erzählt hat, wenn er sich morgen weigert, weiter mitzureiten. Das wird die Gefahr unbedachter Worte verringern, nicht wahr, Tamira?“ Er lächelte das errötende Mädchen an.
„Aber was wir immer noch nicht wissen dürfen, ist der Zweck dieser Reise. Denkt immer daran und verratet euch nicht!
Und nun lasst uns schlafen gehen, denn ich denke, dass der morgige Tag nicht weniger anstrengend für euch wird. Aber in ein paar Tagen habt ihr euch daran gewöhnt und es wird euch nichts mehr ausmachen.“
*****
Es kam genauso, wie die Freunde es befürchtet hatten.
Als Porgan Romando beim Aufbruch fragte, ob das Ziel der Reise das Dragongebirge sei, runzelte der Zauberer böse die Stirn.
„Und wenn, was ginge es dich an? Du wirst dir wohl nicht anmaßen wollen, mir bezüglich meiner Pläne Vorschriften machen zu wollen? Du stehst in meinem Dienst und hast meine Anordnungen zu befolgen!“
„Aber Herr! Es ist nicht geheuer dort in den Bergen. Und wenn Ihr dorthin wollt, bitte ich Euch, mir den Abschied zu geben, denn um nichts auf der Welt bin ich bereit, dorthin mitzugehen.“
„So?“ knurrte der Zauberer. „Nun, das wollen wir erst einmal sehen!“
Er streckte die Hand gegen den Knecht aus und murmelte dieselbe Zauberformel, die er bereits vergeblich gegen die Zwillinge ausgesprochen hatte.
Bei Porgan jedoch wirkte der Spruch sofort. Seine Augen wurden starr und blicklos. „Ich gehorche, Herr!“ sagte er und stieg mit den mechanischen Bewegungen einer Marionette in den Sattel.
„Hat sonst noch jemand etwas gegen unser Reiseziel anzuwenden?“ fragte Romando herausfordernd und blickte die Freunde durchdringend an.
Als keiner von ihnen antwortete, sagte er befriedigt: „Nun, dann können wir ja aufbrechen.“ Er schwang sich in den Sattel und trabte davon, ohne sich darum zu kümmern, ob die anderen ihm folgten oder nicht.
*****
Die nächsten beiden Tage verliefen eintönig und ohne jeden Zwischenfall. Porgan zeigte keine deutlichen Anzeichen dafür, dass er unter Romandos Bann stand. Aber er sprach nur, wenn man ihn etwas fragte, und seine Antworten erfolgten in teilnahmslosen Ton.
Auf Romandos Befehle reagierte er nicht viel anders als sonst: Er befolgte sie einfach ohne jeden Widerspruch. Kein Fremder, der ihn sah, hätte vermutet, dass er völlig dem Willen des Zauberers unterworfen war.
Die Zwillinge schienen sich keine Gedanken darum zu machen, aber Malux beobachtete den Knecht genau. Er registrierte jede Kleinigkeit im Benehmen des Gebannten, denn er war sicher, dass Romando über kurz oder lang versuchen würde, auch ihn unter seinen Willen zu bringen. Das würde spätestens dann geschehen, wenn er die Zwillinge erneut testen wollte.
Romando hatte natürlich längst erkannt, dass Malux zu den jungen Leuten ein besonderes Verhältnis entwickelt hatte. Er würde nicht riskieren wollen, dass der große, kräftige Mann ihn zu deren Verteidigung angriff, wenn er die Zwillinge hart anfasste, um sie zur Mitarbeit zu bewegen.
Außerdem würde er nicht wollen, dass der Bedienstete zu viel von seinen Machenschaften mitbekam. Somit würde er zwangsläufig auch Malux jedes Interesse an seinem Tun und Treiben nehmen müssen.
Aber Malux war davon überzeugt, dass das Ritual auch bei ihm gewirkt hatte und er somit gegen Romandos Beeinflussung immun war.
Das jedoch durfte der Zauberer nicht merken, da er der Sache dann auf den Grund gehen würde. Womöglich würde er dann doch zu drastischen Mitteln greifen, um die Wahrheit aus den Zwillingen herauszuholen.
Wer aber konnte wissen, wie weit die eigene Magie die jungen Leute vor Romandos Willkür schützen würde?
So hatte Malux beschlossen, sich so zu geben, als habe der Bannspruch auch bei ihm gewirkt, wenn Romando versuchte, ihn damit zu belegen. Das würde den Magier in Sicherheit wiegen, dass er
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