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Der gläserne Schrein (German Edition)

Der gläserne Schrein (German Edition)

Titel: Der gläserne Schrein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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unwohl, wenn sie abends ihre Laute hervorholte, mit ihren Eltern oder den Angehörigen ihres Haushalts gemeinsam sang und musizierte. Das Gefühl von Reinolds missbilligendem Blick, wenn sie sich auf einem Zunftbankett von einem der Männer zum Tanze auffordern ließ, verspürte sie inzwischen auch nur noch selten.
    Vor dem Haus wurden das Klappern von Hufen und Stimmen laut, die einander auf Ungarisch etwas zuriefen. Ihre Gäste waren eingetroffen.
***
    Mit gerafften Röcken eilte Marysa hinaus, um die ungarischen Händler zu begrüßen. Dort erlebte sie eine Überraschung.
    «Marysa, Mädchen, so eine Freude! Lass dich ansehen. Gut siehst du aus! Freunde, ist meine Enkelin nicht ein hübsches Kind?», dröhnte der Bass eines kräftigen, hochgewachsenen Mannes mit schlohweißem Haar und sauber gestutztem Bart. Seine Sprache war von einem starken Akzent gefärbt, seine Umarmung herzlich und kraftvoll.
    Einigermaßen verblüfft löste sich Marysa wieder aus seinen Armen. «Meister Kozarac – Großvater! Was macht Ihr hier? Warum habt Ihr uns nicht Nachricht geschickt, dass Ihr nach Aachen kommt?»
    Bernát Kozarac lachte verschmitzt. «Ich hätte mir die Freude an der Überraschung vorenthalten sollen? Auf gar keinen Fall. Als ich erfuhr, dass meine Jolánda mit einem Jungen niedergekommen ist, habe ich mich sofort diesen guten Männern hier angeschlossen.» Er wies in Richtung der fünf Kaufleute, die inzwischen alle aus dem Sattel gestiegen waren. Jaromir und Milo beeilten sich, die Pferde in den Hof zu führen, auch Grimold, der alte Knecht, kam herbeigehumpelt. Er hatte sich kurz vor Ostern auf einer vereisten Gasse den Fuß gebrochen. Obwohl die Verletzung geheilt war, plagten ihn seither bei schlechtem Wetter heftige Schmerzen. Er ließ es sich jedoch nicht nehmen, ebenfalls eines der Reittiere in den Hof zu führen, um den beiden jungen Knechten beim Absatteln und Versorgen der Pferde zu helfen.
    Bernát legte indes seiner Enkelin eine Hand auf die Schulter und führte sie zu seinen Mitreisenden. «Darf ich Euch bekannt machen, meine Herren, dies ist Marysa Markwardt – unsere Gastgeberin.» Er lächelte wieder. «Dies, mein liebes Kind, sind die Herren Barabás, Fábián und Gáspár sowie Bruder András und Bruder Pongrác, die allesamt hocherfreut wären, mit dir ins Geschäft zu kommen.» Er zwinkerte ihr zu.
    Marysa begrüßte die Kaufleute und die beiden Mönche – offenbar waren es Augustiner –, erfreute sie mit einigen Sätzen auf Ungarisch und führte sie ins Haus. Nachdem sich alle ihrer Reisemäntel entledigt und die Hände in den dargebotenen Schüsseln gewaschen hatten, setzten sie sich an den Tisch.
    «Marysa, wird deine Mutter uns heute Abend auch mit ihrer Anwesenheit beehren?», fragte Bernát, während er seinen Becher an die Lippen führte. Er nippte und lächelte dann erfreut. «Ein guter Tropfen!»
    «Mutter und Meister Bardolf müssten jeden Moment hier eintreffen», antwortete Marysa. «Aber bestimmt brauchen sie etwas länger, da mein Stiefvater einen verrenkten Fuß hat.»
    «Er hat sich den Fuß verletzt? Wie ist das passiert?»
    «Ein schlimmer Unfall, Herr Großvater», erklärte Marysa. «In der neuen Chorhalle des Doms sind gestern zwei der Gerüste, auf denen die Goldschmiede arbeiten, zusammengestürzt. Meister Bardolf hatte Glück, dass er gerade nicht auf einer der Plattformen stand, sonst hätte es für ihn viel schlimmer ausgehen können …» Sie biss sich auf die Lippen. «Sein Geselle Piet stand ganz oben. Er ist so schwer verletzt, dass wir um sein Leben fürchten.»
    «Das ist in der Tat schlimm.» Bernáts Miene drückte Betroffenheit aus. «Umso glücklicher dürfen wir darüber sein, dass Meister Goldschläger uns heute die Ehre erweist.» Er hob lauschend den Kopf. «Sind sie das?» In seine Augen war ein amüsiertes Funkeln getreten.
    Aus der Werkstatt, die den vorderen Teil des Hauses einnahm, hörte man die aufgebrachte Stimme einer Frau. «Steh doch still, damit ich dir den Mantel abnehmen kann. Himmel, so stütz dich doch auf meinen Arm, wenn dir das Gehen schwerfällt. Glaubst du, ich bin zu zart, um dein Gewicht zu tragen? Hier, Fita, nimm unsere Mäntel und häng sie beim Küchenfeuer auf, damit sie trocknen. Diese grässliche Sänfte hatte ein undichtes Dach. Sieh nur, mein Kleid … Wie? Die Gäste sind schon eingetroffen?»
    Im nächsten Moment öffnete sich die Stubentür. «Verzeiht uns die Verspätung, aber wir hatten …» Jolánda blieb wie

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