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Der gläserne Wald

Der gläserne Wald

Titel: Der gläserne Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinald Koch
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angehört und im Bestreben, möglichst eifrig zu erscheinen, teilte er seinem Kommandanten mit, die Sonnenstörungen seien inzwischen so heftig geworden, dass man nicht mehr mit Adapor in Funkkontakt treten könne. Diese Nachricht verschlechterte Lübars Laune so sehr, dass er dem Funker befahl, die neun Beiboote in der Kreisbahn anzuweisen, sie sollten unverzüglich bei der Stadt Zaina landen und die Stadt mit Bodentruppen angreifen.
    »Die Beiboote vier bis zwölf«, wiederholte der Funkoffizier, »landen unverzüglich bei der Stadt Zaina – Koordinaten sind bekannt – und greifen die Stadt mit Bodentruppen an. Kommandant, Vizeadmiral Lubar.«
    Zur Bestätigung unterbrach Lubar die Verbindung, um weiter auf die Ergänzung des verstümmelten Telegramms zu warten.
     
    Am Vormittag des Landungstages war die Stimmung im Mannschaftsraum der »Komet III« fast bis zur Ekstase gestiegen. Während der sechs Monate des Herflugs an Bord der drei großen Mutterschiffe war die Zeit in quälender Langsamkeit vergangen. Langeweile und Eintönigkeit hatten jeden Mann bis zur völligen Verzweiflung entnervt. Die Zahl der Mord- und Selbstmordversuche war erschreckend gestiegen, aber jetzt waren sie angekommen.
    Nachdem die »Komet« auf dem Strand von Zaina aufgesetzt hatte, und man sich auf eine weitere Wartezeit gefasst machen musste, schleppten die Unteroffiziere zwei schwere Stacheldrahtverhaue in den Mannschaftsraum, stellten sie unter die beiden fest verschraubten Quarzfenster und verbanden sie mit den Kontakten der Starkstromleitung.
    Noch vor wenigen Tagen wären viele Männer an dieser Barriere freiwillig in den Tod gegangen, doch nun drängten sie ängstlich zurück, um nicht mit dem gefährlichen Verhau in Berührung zu kommen. Solange die Unteroffiziere damit beschäftigt waren, die schweren Außenblenden der Fenster zu lösen, stieg einer von ihnen auf einen Schemel und rief laut:
    »Ruhe, Männer, Ruhe! Ihr seht, wir sind endlich gelandet. Es kann nicht mehr lange dauern, dann werden wir diese Welt erobern.
    Sie wird uns gehören! Ich weiß, einige von euch waren schon hier; alle haben schon Bilder dieser Welt gesehen und Vorträge gehört. Wie gesagt, Leute, vielleicht greifen wir bald an, vielleicht müssen wir noch Tage warten. Wer von euch nach draußen sehen will, stellt sich hier an!«
    Er deutete auf die beiden stromgeladenen Barrieren.
    »Eine halbe Minute nach draußen sehen für eine Proferment-phi-Tablette! Also, stellt euch an!«
    Zunächst begriffen die Leute nicht, wozu sie aufgefordert worden waren, denn von Adapor her kannten sie keine Fenster, durch die man nach draußen sehen konnte. Die meisten von ihnen hatten ihr ganzes Leben in den Höhlensystemen ihrer Städte verbracht und waren nur bei seltenen Gelegenheiten an die Oberfläche des Mondes gekommen, wo sie auch nichts weiter sehen konnten als nüchterne menschliche Architektur; es sei denn, sie schauten nach oben: Dort hing erdrückend nahe die feurige, zornrote Kugel der Embra, der Sonne von Adapor, die zwei Drittel des sichtbaren Himmels ausfüllte. Dieser Anblick ängstigte die Bewohner der Höhlen, darum vermieden sie es, an die Oberfläche zu kommen. Lediglich die Angehörigen der Oberschicht hielten sich etwas darauf zugute, den Anblick Embras ertragen zu können.
    Immerhin gab es einige Soldaten, die schon früher auf Ne Par gewesen waren, und die wussten sofort, was die Unteroffiziere meinten und schoben sich durch die Menge der Gaffenden zu der Barriere, um zum Preis einer kostbaren Prophi-Tablette nach draußen schauen zu dürfen.
    Die Blenden klappten von den Bullaugen zurück, und in lodernden Pfeilen schoss das Sonnenlicht in den düsteren, überfüllten Mannschaftsraum und lag wie eine gestürzte goldene Säule schräg am Fenster, und die Soldaten wichen erschrocken vor dem Fremdkörper zurück, als hätten sie Angst, sich daran zu verbrennen, so wie ja auch die Stäubchen, die hineingerieten, in Weißglut brannten, um am Rand des Lichts scheinbar zu zerfallen.
    Die ersten Köpfe schoben sich in die gleißende Helligkeit der Fenster und verminderten die Fülle des Lichts auf ein erträgliches Maß. Da kam es wie ein Rausch über die Mannschaften. Sie schoben und drängten sich in den Spalt, zwischen den Starkstromzäunen und den Fenstern, als hinge ihr Leben ab von einem Blick nach draußen. Die Unteroffiziere hatten alle Hände voll zu tun, um von jedem Mann eine Prophi-Tablette zu kassieren.
    Freilich konnte keiner der

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