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Der gläserne Wald

Der gläserne Wald

Titel: Der gläserne Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinald Koch
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doch der atemberaubende Gestank der Reiter belehrt mich eines Besseren.
    Lässig erhebt sich der Mann, mit dem der Kaptin eben geflüstert hat, und als er sich bewegt, wird seine Ausdünstung schier unerträglich. Klappernd schlagen die Rubawürfel in seiner Hand gegeneinander.
    »Du bist der Nägar-Priester, den wir transportieren sollen?«
    Ich bilde mir ein, dass sein Atem nach Verwesung stinkt, obwohl er ein gut gebauter Mann mittleren Alters ist, der bestimmt nicht an Magenfäule leidet.
    Obzwar ich mich vor dem Gestank ekele, strecke ich dem Fragonreiter die Hand entgegen. Ich weiß zwar nicht, ob sich das gehört, hoffe allerdings, dass der Rangunterschied zwischen uns beiden nicht zu groß ist. Wenn er nur den Ekel nicht spürt, den ich empfinde. Ich kenne das aus eigener Erfahrung: Auch uns Nägar-Priestern haftet der Geruch der Sammler an, und auch wir mögen es nicht, wenn sich andere angewidert abwenden.
    »Ja«, antworte ich, als er mit raschem Griff meine Hand erfasst. »Ich bin Tolt, der Nägar, der Sohn Iros.«
    Der Fragonreiter hält meine Hand fest, sieht mich ernst an und entgegnet:
    »Ich bin Mart, der Fragonreiter. Es ist eigentlich schon zu lange her, dass die Nägar-Priester und wir Reiter Brüder in einer Kaste waren!«
    Ich verstehe sofort und ärgere mich, dass ich nicht selbst daran gedacht habe. Er spielte auf jene Ursprungslegende an, in der erzählt wird, dass einst die Fragonreiter und Nägar-Priester wie Brüder dem Mathematiker dienten.
    »Ja, so sagt es die Legende«, antworte ich und lächle. – Der Kaptin nickt anerkennend, woraus ich schließe, dass ich mich bisher richtig verhalten habe. Darum fahre ich fort: »Nur werdet ihr große Mühe mit mir haben, denn ich bin noch nie auf einem Fragon geritten, und ich muss euch gestehen, dass ich mich vor dem Flug fürchte!«
    Mart lacht, aber es ist ein gutmütiges Lachen.
    »Wir werden dich in eine Sänfte setzen, weil du ehrlich warst, und du wirst nicht in die Tiefe sehen müssen, wenn du nicht willst. Wenn Fremde kommen und von einem Fragon sprechen, als gelte es, auf einem alten Zino zu reiten, dann tun wir das freilich nicht.«
    Bevor ich etwas erwidern kann, wendet sich tha Barga an Mart: »Wie viele meiner Männer kann ich mitnehmen?«
    Mart blickt erst mich, dann den Kaptin fragend an.
    Zu meinem Erstaunen entgegnet der Kaptin: »Du fliegst allein mit, Zenturio! Deine Männer bleiben hier in der Festung.«
    Allmählich werde ich misstrauisch und frage: »Bin ich denn immer noch gefangen? Hast du den Auftrag, mich zu bewachen, tha Barga?«
    »Um des zeitlosen Raumes willen, nein!« ruft der Kaptin. Mir wäre es lieber gewesen, tha Barga hätte meine Frage beantwortet, denn er ist nicht so glatt und geschickt wie der Kaptin, und sicher hätte ich von ihm mehr erfahren.
    »Zenturio tha Barga ist dir als militärischer Berater beigegeben. Dieser Krieg ist keine Beerenernte«, fügt er hinzu.
    Eine einleuchtende Erklärung, denn ich glaube schon zu ahnen, in welcher Absicht unser Fürst Sammler und Beeren in die Stadt einfliegen lässt. Ich beruhige mich wieder und sage Mart, dass ich bereit sei.
    Der Kaptin winkt mir zu und ruft: »Viel Glück, Tolt! – Ich hoffe, dass wir uns bald wieder sehen!«
    Vor mir knirschen die stinkenden Panzer der Fragonreiter. Zenturio tha Barga schiebt mich hinter den Reitern her. Hinter der Tür, durch die wir jetzt gehen, öffnet sich ein aus rohem Stein gehauenes Gewölbe. Auch hier halten zwei Männer der fürstlichen Garde Wache, aber die beiden Offiziere, die auf einer steinernen Bank im Hintergrund schlafen, tragen die Uniform der Fragonreiter. Die Luft im Gewölbe riecht beißend und faulig. Kein Zweifel, wo die schmale Wendeltreppe endet, die von hier nach unten führt: Unter uns liegen die Fragonställe.
    Über feuchte Stufen steigen wir in den Dunst hinab, vor mir die drei Fragonreiter, hinter mir Altar tha Barga. Nur in großen Abständen blaken Talglichter an den Wänden, aber das Licht scheint sich ängstlich auf seinen Ursprung zurückziehen zu wollen und beult nur kleine Halbkugeln von Helligkeit in das Dunkel.
    Nach einem Abstieg, der mir endlos lang erscheint, gelangen wir vor eine winzige Holzpforte, die mit ungewöhnlich starken Eisenbändern und Riegeln gesichert ist. Ich werfe tha Barga einen besorgten Blick zu, denn ich fürchte, er passt nicht durch die niedrige, schmale Öffnung. Er aber lächelt mir aufmunternd zu und meint: »Keine Angst, wir kommen schon hindurch! Ich bin

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