Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der gläserne Wald

Der gläserne Wald

Titel: Der gläserne Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinald Koch
Vom Netzwerk:
Admiral Franzik nach Ne Par flog. Wahrscheinlich würde er es sogar verhindern wollen.
    Je näher sie dem Raumschiff kamen, umso mehr belastete die Verlassenheit des Ortes Franziks Nerven. Es wurde ihm unmöglich, daran zu glauben, dass hinter der goldenen Haut des Schiffes viele Menschen lebten und arbeiteten. Er stellte sich vor, wie sie um ein verlassenes Schiff kreisen würden und schließlich umkehren mussten, weil die Energie des Gleiters verbraucht war.
    Dann musste er wieder an den Obersten Rat denken, diesen perversen Greis, der mit zwei Welten jonglierte wie ein Gaukler mit Bällen, dem Menschen nicht mehr bedeuteten als Staub, den man fortbläst. Gewiss hielt ihn nur dieses Spiel noch am Leben. Welche Genugtuung musste es ihm sein, zu sehen, wie die Staubkörner gegeneinander taumelten und in den Abgrund tauchten! Das Wissen, dass Millionen Menschen bald in den Tod gehen würden, gab ihm die Kraft zum Atmen, und die Gier, das Leiden der anderen zu sehen, hielt ihm die Augen offen.
    Als sie die Tausend-Meter-Grenze passierten, innerhalb deren früher einmal das Hoheitsgebiet eines Polizeibootes gelegen hatte, wurden sie über Funk angerufen. Franzik identifizierte sich und erhielt sofort Landeerlaubnis.
    Im oberen Drittel des Raumschiffs öffnete sich ein riesiges Zyklopenauge. Daraus schob sich ein vergoldetes spinnennetzartiges Gerüst, das den Gleiter sanft auffing und ihn ins Innere des Bootes zog. Hinter ihnen schlossen sich die mächtigen Lamellen der Schleuse, und dampfend wie Nebelschwaden fuhr von allen Seiten Luft in das Vakuum der Kammer.
    Am Sicherheitsschott der Kammer wurde Franzik vom Kapitän der »Tremor I« mit allen militärischen Ehren empfangen. Noch bevor der verblüffte Franzik fragen konnte, ob man ihn denn erwartet habe, präsentierte ihm der Kapitän ein unverschlüsseltes Fernschreiben, das vom Obersten Rat an Admiral Franzik gerichtet war. Es hieß darin, der Oberste Rat billige den Entschluss des Admirals, sich zu den Truppen nach Ne Par zu begeben. Er habe auch da völlige Handlungsfreiheit. In einem Punkt aber irre sich Admiral Franzik, und er, der Oberste Rat, hoffe, ihm später zu gegebener Zeit Aufklärung darüber verschaffen zu können.
    Nachdenklicher, doch kaum weniger pessimistisch befahl Franzik dem Kapitän, mit den Startvorbereitungen zu beginnen. Reges Leben erwachte auf dem alten Raumhafen von Melars. Auf mächtige Feuersäulen gestützt ließen sich die drei anderen Landungsboote der »Tremor« über den Gasabzugsstollen nieder, und von der Stadt her näherten sich wie große Schildkröten gepanzerte Mannschaftswagen und Materialtransporter. Wie einst förderten Pumpen den Treibstoff durch mannsdicke Leitungen in die Schiffe, und die Mannschaften in ihren silbernen Schutzanzügen bewegten sich eilig zwischen Schiffen und Geräten.
     
    »Du weißt, wer ich bin und über welche Vollmachten ich verfüge«, leitete der Kaptin das Gespräch ein, nachdem er tha Barga ein wenig zur Seite geführt hatte. Der nickte bestätigend.
    »Es ist nicht nur meine Aufgabe, für das Leben und die Sicherheit des Fürsten zu sorgen, sondern auch für die Unversehrtheit aller ihm nahe stehenden Personen. Von nun an gehört Tolt der Nägar-Priester an diesen Personenkreis – und zwar steht er an einem sehr prominenten Platz.
    Wärst du, Zenturio tha Barga, bereit, dich mit deinen Leuten um die Sicherheit des Nägar-Priesters zu kümmern?«
    Tha Barga schaute den Kaptin verständnislos an.
    »Gewiss bin ich bereit! Aber ich verstehe nicht, wie dieser junge Mann zu solchen Ehren kommt, Kaptin. Nicht einmal die Hohe Gemahlin hat eine so starke Leibwache!«
    Erst in diesem Augenblick erkannte der Kaptin eine der Schwächen tha Bargas: der Mann war ein Verfechter der Ordnung. Was hier aber geschah, lief nach seiner Meinung der althergebrachten Ordnung zuwider. Darum würde sich der Zenturio nur schwer mit seinem Auftrag identifizieren können. Der Kaptin wusste jedoch, dass ihm kaum eine andere Wahl blieb als tha Barga. Die Evakuierung der Stadt und die Bewegungen der Truppen waren schon zu weit fortgeschritten, als dass er einen anderen Offizier hätte abberufen können. Er reckte sich noch weiter zu tha Barga hinauf, obgleich er es für ausgesprochen demütigend hielt, sich auf die Zehenspitzen erheben zu müssen, und flüsterte ihm ins Ohr:
    »Ich kenne die Pläne, die der Fürst mit dem Kleinen hat. Es ist etwas sehr Wichtiges. Wenn du den Auftrag übernimmst, Kamerad, musst du bereit

Weitere Kostenlose Bücher