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Der gläserne Wald

Der gläserne Wald

Titel: Der gläserne Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinald Koch
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des Fragons ließ ihn fast vergessen, dass er flog. Ein sonderbarer, fiebriger Schwindel hüllte sein Denken ein und ließ ihn scheinbar schwerelos zwischen der Finsternis und den Sternen schweben.
    Weit entfernt im Buschgürtel des Beerenwaldes von Ptolamära lag Fren, die Hohe Gemahlin des Fürsten Ämar von Zaina, auf ihrem Feldlager aus hastig gehäuften Lurpelzen, atmete die laue Spätsommerluft und schaute durch die geöffneten Zeltbahnen zu den gleichen Sternen hinauf. Amüsiert horchte sie auf die Schritte des wachhabenden Offiziers, die immer einen Moment verhielten, wenn er an der Zeltöffnung vorüberkam. Im Hintergrund des Zeltes seufzte eine Zofe leise im Schlaf.
     
    Kommandant Lubar wusste, dass bis zur endgültigen Landung der neun Beiboote noch etwa sieben Stunden vergehen würden, und, weil durch seine letzten Befehle die Entscheidung ohnehin gefallen war, stieß er sich mit der Eleganz eines ergrauten und verfetteten See-Elefanten von seinem Schreibtisch ab und glitt pfeilschnell durch die Luft in einen Winkel seiner Kabine, der durch eine Vielzahl elastischer Plastikfäden vom übrigen Raum abgetrennt war. Mit den geschickten Bewegungen eines geübten Schwimmers zerteilte er die Fäden und drängte sich in die winzige, sargähnliche Schlafkoje. Seufzend vor Wohlbehagen ließ er sich minutenlang von den elastischen Bändern, die die Wände der Koje bildeten, hin und her federn. Nur flüchtig empfand er dabei Gewissensbisse, als er sich erinnerte, dass er eigentlich von der Kommandozentrale aus die Landeoperationen der Beiboote überwachen sollte. Man würde ihn schon wecken, wenn er gebraucht wurde, und bald brachte Lubar durch sein an- und abschwellendes Schnarchen die Bänder seiner Koje wieder in leise Vibration, und sie ließen ihn wie eine Qualle in der Schwerelosigkeit schweben.
     
    So schliefen viele der Menschen auf Ne Par und in den großen Raumschiffen, die den Planeten umkreisten, ein letztes Mal, bevor sie sich aufeinander stürzen sollten mit Vernichtung und Tod. Doch einige schliefen nicht, weil sie unruhig und ängstlich waren und den Tod über sich fühlten, andere, weil sie mit wichtigen Aufgaben betraut waren, die in dieser Nacht noch getan werden mussten.
    Zu denen, die nicht schliefen, weil sie unruhig und ängstlich waren und den Tod über sich fühlten, gehörten die zweihundert Menschen der beiden Sammlertrupps der Priester Iro und Aleb, die in Transportnetzen zusammengepfercht unter den Fragons hingen und aus ihrem heimischen Beerenwald bei Duar Midza nach Zaina geflogen wurden.
    Am Morgen des zweiten Landungstags standen alle zwölf Beiboote in einem Kreis von zehn Kilometern Umfang um die Stadt Zaina. Die riesigen Ausmaße der Schiffe ließen den Abstand zwischen ihnen unbedeutend klein erscheinen; selbst die imponierende Höhe der Stadtmauer wirkte neben den aufragenden goldenen Türmen lächerlich.
    Weit um die Heckdüsen der Schiffe war die Erde zu schwarzer, glasiger Schlacke verbrannt, und in der Ferne glosten und rauchten noch die Reste verbrannter Vegetation.
    Thomal war durch die Erschütterung erwacht, die das erste der neun Boote bei der Landung verursachte. Er richtete sich in seiner Hängematte auf und lauschte, aber es war nichts zu hören außer dem Atmen und Schnarchen der Kameraden. Reglos wartete er auf eine Wiederholung des Geräuschs, das ihn geweckt hatte.
    Plötzlich zuckten die Schnüre der Hängematte, als habe jemand mit einem Stock dagegen geschlagen, und die Wände des Mannschaftsraums vibrierten dumpf.
    Mit einem Satz war Thomal aus der Hängematte und schlüpfte unter schlafenden Körpern hindurch, an festgezurrten Gepäckstücken vorbei zum Bullauge. Er kannte diese Vibration gut; das musste ein Raumschiff sein, das einige Kilometer entfernt zur Landung ansetzte.
    Sie erhielten also Verstärkung. Vielleicht hatte man beschlossen, alle zwölf Beiboote hier einzusetzen. Thomal erreichte das Fenster und schaute hinaus. Draußen lag der Himmel tiefgrün über dem Meer, das sich ebenso grün bis zum Horizont dehnte. Ein hellvioletter Glanz, der fern auf dem Wasser glomm, zeigte, dass die Sonne bald aufgehen würde. Von seinem Bullauge aus konnte er die beiden anderen eben gelandeten Beiboote nicht sehen. Dann jedoch erschien am oberen Rand des Bullauges ein gleißender Lichtpunkt, der sich rasend schnell näherte und unerträglich hell wurde. Geblendet schloss Thomal die Augen, und als er sie zwinkernd wieder zu öffnen suchte, sah er, dass das

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