Der gläserne Wald
schon öfter durch solche Schlitze geklettert!«
Unsere Führer sind inzwischen damit beschäftigt, die Riegel und Bolzen zurückzuschieben, mit denen die Tür verschlossen ist. Einer wendet sich zu uns um und erklärt: »Die Pforte muss ein wenig schmäler sein als ein Klauenfuß. Unsere Tiere sind so anhänglich, dass sie uns überallhin folgen würden, wenn wir nicht diesen Durchschlupf hätten, und keine größere Tür könnte den Hieb eines Fragons aushalten.«
Ich habe grässliche Angst und bin halb betäubt von den Ausdünstungen der Tiere, so dass ich kein Verständnis für ihre Anhänglichkeit an ihre Reiter aufbringen kann.
Knirschend schieben sich die Bohlen zur Seite. Ich weiß nicht, wie ich die Woge des unbeschreiblichen Gestanks überstanden habe, die uns durch die geöffnete Tür entgegenschlug. Ich bin wohl zurückgetaumelt und tha Barga hat mich aufgefangen. Wie aus weiter Ferne höre ich eine Stimme, die uns anweist, hier zu warten. Aber im Augenblick hätte mich ohnedies nichts bewegen können, durch den Türspalt in die Stallungen zu treten. Gewaltige, fremdartige Geräusche dringen heraus, ein Blubbern, als würden tief aus dem Wasser große Gasblasen aufsteigen, dann ein kratzendes Schaben, wie wenn schwere Steine aneinander reiben, und ständig tönt dabei ein dumpfes und gleichmäßig vielfältiges Klopfen, der Herzschlag der gewaltigen Tiere.
»Komm, Inta, komm – schön ruhig! Das sind Freunde«, sagt einer der Fragonreiter dicht an der Tür. Seine Stimme klingt anders als ich es je bei einem Menschen gehört habe. Sie vibriert tief und rau, wie bei einer irdenen Grasgeige, und doch ganz anders. Während der Mann auf diese Weise sein Fragon beruhigt, flößt er auch mir Mut ein.
Leise flüstert mir Altar tha Barga zu: »Diese Fragonreiter sind Zauberer! Ich habe einmal erlebt, wie einer einem Schankwirt befahl, zu sterben. Es war schrecklich. Der Wirt brach auf der Stelle tot zusammen. Sie sind Zauberer!«
Der Zenturio ist offensichtlich nervös; ich dagegen gewinne allmählich mein Selbstvertrauen zurück, auch scheint es mir, als sei der Gestank nicht mehr ganz so widerwärtig wie im ersten Moment. Ich bin sogar ein bisschen neugierig, weil ich endlich ein Fragon aus der Nähe sehen werde.
Man ruft uns von drinnen. Ich trete mutig durch die Pforte und befinde mich in einem riesigen halbdunklen Raum. Die Wände und die Decke bleiben in der Dunkelheit unsichtbar, nur der Widerhall der Geräusche lässt mich die Größe der Halle ahnen. Dicht vor mir ragt eine schwarze Masse auf, undifferenziert und mächtig! Das kann nur ein liegendes Fragon sein! Jemand ergreift meine Hand und führt mich noch dichter an das Tier heran.
»Das ist Inta«, sagt der Mann, der mich führt, und drückt meine Hand gegen den Körper des Fragons.
Ich taste über eine handtellergroße Fläche, die sich glatt und kalt wie eine Glaskachel anfühlt und auf einer Seite in einer messerscharfen Kante endet.
»Das sind Intas Kehlschuppen. Sie sind glatt, aber sehr hart. An den Beinen und am Bauch ist sie nicht ganz so zart geschuppt. Was, Inta?«
Der Reiter spricht in der merkwürdig summenden, singenden Art, die mich schon vorher ermutigt und beeindruckt hat.
Ich habe inzwischen nicht mehr die mindeste Scheu vor dem riesigen Tier, dessen gewaltige Ausmaße sich in der Finsternis verlieren. Unbeholfen stolpere ich über Äste und dürres Laub, das den Boden bedeckt, an den Flanken des Fragon entlang und bemühe mich, in der Nähe des Reiters zu bleiben. Mein Führer wendet sich zu mir um. Ich sehe sein Gesicht nur als hellen Fleck.
»Hier ist die Strickleiter, Tolt.« – »Bist du es, Mart?« frage ich unsicher. Ich kann ihn nicht erkennen, und seine merkwürdige Art zu sprechen, irritiert mich.
»Wer sonst? – Ich habe schließlich die Verantwortung für den Transport, hoher Priester! Wir Männer mit Verantwortung müssen beisammenbleiben!«
Ich habe keine Ahnung, worauf sein Spott abzielt, darum frage ich ihn, warum er sich über mich lustig mache.
»Ach, weißt du, Tolt«, entgegnet er und drückt mir das Ende der Strickleiter in die Hand, »manchmal kann ich nicht anders mit Menschen reden. Das einzige, was wir Reiter wirklich ernst nehmen, sind unsere Fragons. Komm, steig hinauf, die Sänfte ist schon befestigt!«
Gerade, als ich den Fuß hebe, ertönt im Leib des Fragons das glucksende Brausen, das ich schon vor der Stallpforte gehört habe, und ich fahre erschrocken zurück. Man lacht beruhigend
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