Der gläserne Wald
Machtmittel des Obersten Rates zur Genüge, um zu wissen, dass es tausend und eine Möglichkeit gab, seinen Tod unmittelbar und automatisch auf den des Alten folgen zu lassen. Von allen diesen Möglichkeiten waren die Polizeisoldaten hinter den Wänden noch die harmloseste und unzuverlässigste.
»Sehr wohl, Hoheit!« sagte er darum und verneigte sich im Sitzen. »Wie haben sich Hoheit die Kommunikation gedacht?«
Doch der Oberste Rat war wieder in sich zusammengesunken. »Die Beerenwälder, ich werde sie im Memorsystem sehen!« hauchte er. »Wir werden Proferment haben für alle!«
Anscheinend war die Umwelt für ihn versunken. Fast unhörbar formte er Laute zu Worten.
»Mo … lja … staunsdu … werde Recht behaltn … denkt. Nicht anders möglich … artfremde Intelligen …«
Aber plötzlich brach es aus ihm hervor, als müsse er noch einmal alle geheimen, quälenden Befürchtungen niederschmettern, solange er noch die Kraft dazu hatte. »Und es wird doch kommen!«
Dabei bäumte sich sein Körper in einem jähen Kampf auf, sackte aber sofort wieder schlaff in den Sessel zurück.
Der Arzt war entsetzt aufgesprungen, denn wenn der Alte ihm jetzt schon sterben sollte, war die geplante Operation so gut wie unmöglich geworden.
Geschwindigkeit war nun alles. Rücksichtslos presste er die leblose Hand des Obersten Rates auf den Körperalarmfühler, der zu weit vorn an der Sessellehne angebracht war.
Heimlich hatte sich Vizeadmiral Lubar aus der Verantwortung gestohlen, indem er Selbstmord beging. Seitdem tagte der Rat der Kapitäne in Permanenz. Sicherlich hätte sich der Kommandant gewundert, wie entschlussfreudig dieses von ihm so verachtete Gremium geworden war, denn jeder Kapitän fühlte sich von einer drückenden Fessel befreit. Neben vielen Maßnahmen, die innerhalb von Minuten beschlossen und befohlen wurden, war eine für den Ausgang der Invasion entscheidende, denn sie vereitelte ein für alle Male einen Sieg der adaporianischen Flotte.
Seinem Führungsstil entsprechend hatte Lubar keinen der Offiziere in seine weiteren Absichten eingeweiht. Die Kapitäne erkannten richtig, dass der von Lubar befohlene konzentrische Angriff auf die Stadt Zaina ein Schlag ins Leere gewesen war. Zur Zertrümmerung der evakuierten Stadt hätten die Bordwaffen eines einzigen Beiboots genügt. So hatte Lubar die ihm verfügbaren Kräfte sinnlos an einem Ort gebunden, an dem sie keine Erfolge erzielen konnten. Um diesen Fehler nicht zu wiederholen, kehrten die Kapitäne zur ursprünglichen Strategie zurück, die vorgesehen hatte, dass je drei Schiffe einen der Handelsplätze angreifen sollten. Dass sie dort inzwischen vor der gleichen Situation stehen würden, der sie in Zaina gegenübergestanden hatten, bedachten sie nicht. Der Untergang Zainas hatte für Ne Par ein Exempel sein sollen nach Lübars Plan; die Neparesen hatten dies Exempel verstanden, doch die Invasoren von Adapor nicht.
Noch in der gleichen Nacht, kurz vor dem Morgen, starteten neun der zwölf Beiboote über die Stadt Zaina hinweg und zerstörten sie dabei bis auf die Grundmauern. Während die abfliegenden Kapitäne wohlgemut dem weiteren Verlauf des Krieges entgegensahen, bemächtigte sich der drei zurückbleibenden Kapitäne eine stetig wachsende Ratlosigkeit. Zwar meldete die Raumortung an verschiedenen Plätzen der Monarchie Zaina Menschenansammlungen, doch waren sie nur in einem Fall groß genug, um ein lohnendes Raketenziel zu bieten.
Was konnte man gegen einen Feind tun, der sich nicht stellte, den es überhaupt nicht mehr zu geben schien? Ohne es zu wissen, taten sie genau das, was auch Lubar vorgehabt hatte. Allerdings stand ihnen jetzt nur noch ein Drittel des militärischen Potentials zur Verfügung.
Als Thomal mit Manja aus der Schleuse des Raumschiffes auf die ungeschützte Platte des Antigravkrans trat, traf sie das Licht der Vormittagssonne wie ein Hammerschlag. Gegen diese allgegenwärtige Helligkeit wirkte selbst der gleißende Strahl einer Laserkanone blass und unbedeutend.
Die Platte, auf der die beiden standen, sank hinab, setzte am Boden auf, und plötzlich hatten sie ihr volles Gewicht wieder. Sie federten sich in den Knien ab, doch Manja war so unsicher, dass er gestrauchelt wäre, wenn Thomal ihn nicht am Genick gepackt hätte.
»Bist du fertig?« fragte Thomal und nahm seine Hand von dem weißen Schutzanzug Manjas. Manja brachte ein schwaches Nicken zustande, das man unter dem steifen Material des Anzugs kaum
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