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Der Glanz der Seide: Roman (German Edition)

Der Glanz der Seide: Roman (German Edition)

Titel: Der Glanz der Seide: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Penny Jordan
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eines schwachen, feigen jungen Mannes ohne Stolz und Respekt – weder für sich noch für andere. Eines jungen Mannes, der seinem armen Vater das Herz gebrochen hätte, einem Vater, der selbst ein leuchtendes Beispiel sämtlicher männlicher Tugenden gewesen war, äußerlich wie innerlich.
    Barrant war schuld, dass er tot war. Barrants Verachtung hatte ihn dazu getrieben, sich freiwillig zu melden, wo sie sich doch alle Mühe gegeben hatte, ihn aus dem Krieg herauszuhalten. Barrant hatte absichtlich eine öffentliche Konfrontation herbeigeführt, in deren Verlauf er Marcus als Feigling beschimpft und ihn gefragt hatte, warum er sich nicht der Brigade junger Männer angeschlossen habe, die sein eigener Sohn aufgestellt hatte.
    Sie hatte Marcus angefleht, nicht auf ihn zu hören und nicht zu gehen. Er war verheiratet und hatte einen kleinen Sohn, und seine Frau erwartete das zweite Kind. Er hatte eine von einem Unfall in der Kindheit herrührende Schwäche im linken Bein, weswegen er humpelte und das Bein nicht richtig belasten durfte. Dieser Umstand hätte ihn vom Kriegsdienst befreit, aber nein, er konnte nicht zulassen, dass Männer, die jünger waren als er, in den Krieg zogen und er nicht. Es war seine Pflicht, mit ihnen zu gehen.
    Seine Pflicht. Lieber Gott. Ihr wäre er verpflichtet gewesen, seiner Mutter, die ihn unter solchen Schmerzen geboren hatte, sowie seiner Frau und seinem Sohn. Nicht aber einem Trupp dummer junger Männer, die von Barrant zu patriotischer Raserei getrieben wurden. Wenn Barrant auch nur einen Funken Verstand besessen hätte, hätte er seinen eigenen Sohn ebenfalls aus dem Gemetzel herausgehalten, statt überall mit seiner Tapferkeit zu prahlen und ihn auch noch zu ermutigen. Frauen wollten Söhne, Liebhaber und Brüder, die am Leben waren, keine toten Helden.
    Blanche wusste, dass die Leute in der Gegend dachten, sie hasse Barrant, weil er sie nicht hatte heiraten wollen, doch dieses Gefühl wog in Wirklichkeit nichts gegen den erbitterten Hass, den sie ihm seit Marcus’ Tod entgegenbrachte. Barrant hatte ihren Sohn so bewusst getötet, als hätte er ihm ein Messer ins Herz gejagt.
    Amber musste Robert wirklich einen zweiten Sohn schenken. Ein Sohn war nie genug; ein Sohn forderte das Schicksal heraus, und das Schicksal konnte sehr grausam auf diese Herausforderung reagieren. Sie würde ihre Enkelin noch einmal darauf hinweisen, beschloss Blanche.

30
     
    »Mummy, Mummy …«
    »Pst, Schatz«, versuchte Amber, Luc zu beruhigen, der Mühe hatte, seine Aufregung zu bändigen.
    Amber war an diesem Vormittag spontan zum St. James’s Palace gegangen, um dem Erlass der Königlichen Proklamation beizuwohnen, dass das Land einen neuen König bekommen werde.
    Sie konnte Lucs Aufregung beim Anblick von so viel Prunk durchaus nachvollziehen. Zuerst kam die Gardekavallerie. Luc hatte die Kavallerie natürlich schon einmal gesehen, welches Londoner Kind hatte das nicht: die Männer in ihren Paradeuniformen auf ihren makellos gestriegelten und dressierten Pferden. Dahinter kamen die Vorreiter in ihren heraldischen Trachten in Scharlachrot, prächtigem Gold und Weiß, bestickt mit den Hoheitszeichen und Wappenschildern der Krone, die die Staatskarossen begleiteten.
    Amber sah fast, wie Lucs schmale Brust sich bei ihrem Anblick vor unschuldigem Stolz auf alles Britische hob. Auch sie blieb nicht gänzlich unberührt von diesem Gefühl, musste sie sich kleinlaut eingestehen, als die Kutschen langsam vorbeirollten, eine lebendige zeremonielle Verbindung zur Vergangenheit des Landes.
    Doch die Kutschen waren nichts im Vergleich zu den Wappenkönigen in ihrem Gold und Scharlachrot.
    Die versammelten Trompeter hoben ihre Instrumente und bliesen triumphierend im Chor, um zu verkünden, dass Edward VIII. den englischen Thron bestiegen hatte, und Amber überlegte, wie viele Zuschauer sich wie sie fragten, wie Edward mit seinem Loyalitätskonflikt umgehen würde. Er war schrecklich verliebt in Wallis Simpson, doch jetzt, da er König war, konnte er die Beziehung wahrscheinlich nicht fortführen. Wallis war schließlich geschieden, und es war ausgeschlossen, dass ein König von England eine geschiedene Frau heiratete.
    Romantische Liebe ist die Ursache vieler Probleme, dachte Amber traurig. Sie war froh, dass sie beschlossen hatte, sie ganz aus ihrem Leben zu verbannen. Aus irgendeinem Grund sah sie vor ihrem geistigen Auge Jays Bild. Sie konnte ihn so deutlich sehen, sein dunkles Haar, vom stürmischen Wind

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