Der Glanz der Seide: Roman (German Edition)
neue vorproduzieren möchte.« Als er Ambers Miene sah, hielt er inne. »Was ist los?«
»Nichts. Ich glaube allerdings, dass er damit noch ein wenig warten sollte. Und es wäre nicht schlecht, auch den anderen Fabriken Bescheid zu geben, natürlich mit der gebotenen Diskretion und nur vage.«
Amber spürte Jays Blick.
»Willst du damit sagen, du glaubst nicht, dass Edward zum König gekrönt wird?«
»Ich weiß nicht, Jay. Er ist Mrs Simpson sehr zugetan, weißt du. Überaus zugetan«, betonte sie bedeutsam. »Robert sagt, das Parlament werde ihm nie erlauben, eine Geschiedene zu heiraten, wenn er den Thron besteigen will, also wird er eins von beidem aufgeben müssen. Leute, die ihm nahestehen, sagen, dass das nicht Wallis sein werde.«
»In den Zeitungen stand nichts darüber.«
»Nein, ich weiß. Man konnte die Presse überzeugen, erst einmal stillzuhalten, aber wenn man sie miteinander sieht … hat sie die Hosen an, Jay. Natürlich hat sie auch ihre Anhänger, die meinen, sie täte ihm gut, und die sind in ihrer Zustimmung genauso vehement wie jene, die glauben, dass sie keine echten Gefühle für ihn hat und ihn nur benutzt, in ihrer Ablehnung. Positionen dazwischen gibt es so gut wie keine.«
»Und was glaubst du?«
»Ich weiß es nicht. Wenn sie das Gesetz ändern und ihm erlauben würden, eine geschiedene Frau zu heiraten, könnte es das Problem lösen, aber Robert meint, das werde nicht passieren.«
»Ich sage Maurice, dass er sich noch ein wenig zurückhalten soll, ohne allzu deutlich zu werden. Wenn du mich brauchst, bin ich in meinem Büro.«
Ein wenig schuldbewusst gestand Amber sich ein, dass sie sich eher auf ihre Sorge um Greg konzentrieren sollte, als sich wegen Edward und Wallis den Kopf zu zerbrechen. Andererseits waren möglicherweise die Fabrik und die Zukunft ihrer Belegschaft betroffen, da konnte sie gar nicht anders, als sich darum zu kümmern.
Sie zögerte in der Halle, erwartete halb, Greg die Treppe herabeilen und sie in die Arme schließen zu sehen, wie früher, als sie noch klein waren.
»Ich nehme an, dass Greg bei seinem kleinen Mädchen ist, Wilson?«, fragte sie den Butler.
»Das entzieht sich meiner Kenntnis, Euer Gnaden«, erwiderte er hölzern. »Ich weiß jedoch, dass er vor einiger Zeit den Wagen vorfahren ließ, weil er etwas in Macclesfield zu erledigen hatte.«
Ach herrje, dachte Amber reuig, offensichtlich hatte Greg, indem er den Wagen ihrer Großmutter genommen hatte, die Dienstboten gegen sich aufgebracht.
»Mrs Clements hat Sie in Ihrem alten Zimmer untergebracht«, fuhr der Butler fort und setzte sich Richtung Treppe in Bewegung. Sein Gang war steif und langsam, und Amber dachte mit leisem Bedauern, dass er allmählich alt wurde.
»Sie brauchen mich nicht anzukündigen, Wilson«, hielt sie ihn sanft auf. »Ich könnte mir denken, dass meine Großmutter uns hat kommen hören und schon auf mich wartet.«
»Wie Sie wünschen, Euer Gnaden. Ich sage Mrs Clements, dass Sie da sind. Sie hat die Bakewell-Törtchen gebacken, die Sie und Master Luc so gerne essen.«
»Richten Sie ihr aus, dass ich mich schon darauf freue.«
Sicher lag es nur am Licht, denn ihre Großmutter konnte unmöglich geschrumpft sein, seit sie sie das letzte Mal gesehen hatte. Blanche erhob sich von ihrem Stuhl und trat auf sie zu, um sie zu begrüßen, wobei sie sie auf Armeslänge von sich weghielt und ihr die Wange zum Kuss darbot.
Doch selbst wenn, schmälerte das ihre gewohnte Eleganz nicht im Mindesten. Sie sieht absolut königlich aus, dachte Amber reuig. Ihr Gesicht wies kaum Falten auf, wenngleich sie ziemlich blass war. Die Diamanten an Blanches Verlobungsring fingen die spätnachmittägliche Sonne ein, die durch das Fenster hereinströmte. Ihre Großmutter hatte immer wunderbar gepflegte Hände, mit langen, schlanken Fingern und makelloser weißer Haut.
Im Gegensatz dazu kam Amber sich ein wenig staubig und zerknittert vor, und sie musste dem Drang widerstehen, sich über das Haar zu streichen, um sicherzugehen, dass keine vorwitzige Strähne hervorlugte.
Sie war mit dem Zug nach Macclesfield gereist und trug eines der Ensembles, die sie in Paris geordert hatte. Sie war nicht überrascht, als ihre Großmutter nach einem Blick darauf verkündete: »Lanvin. Zweifellos nützlich, aber recht langweilig. Schwarz trägt sich im Sommer auch sehr schwer.«
»Wir waren bei so vielen Veranstaltungen, auf denen auch der König zugegen war, dass ich mich daran gewöhnt habe,
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