Der Glanz der Seide: Roman (German Edition)
durchgemacht wie seine Mutter. Sie ist noch sehr schwach, Amber, und Dr. Brookes ist sich nicht sicher, ob sie es überlebt.«
»Oh, das arme Baby. Und der arme Greg.«
»Allerdings.«
Der Traktor bog durch ein Tor auf ein Feld ab, sodass Jay weiterfahren konnte.
»Greg ist sicher außer sich.«
»Ja, vermutlich«, stimmte Jay ihr zurückhaltend zu.
Sicher ist Jay auch außer sich vor Sorge und Kummer wegen Lydias Zustand, dachte Amber bei sich. Aber Jay war in jeder Hinsicht stärker als ihr Cousin.
»Hat Lord Fitton Legh sich schon irgendwie zu Gregs Rückkehr geäußert?«, fragte sie, als sie in die Auffahrt einbogen. »Nicht dass es zu erwarten wäre, nachdem er jetzt mit Cassandra verheiratet ist.«
»Er hat noch nichts gesagt.«
»Nun, wenigstens darüber wird Großmutter sich freuen.«
»Sie freut sich darüber, dass du heimkommst, Amber, selbst wenn sie es nicht zeigt. Sie ist furchtbar stolz auf dich, weißt du.«
»Möglich, aber gewiss nur, weil ich Robert geheiratet und es durch ihn zu etwas gebracht habe.« Sie hielt inne und fragte dann: »Wie geht es den Mädchen? Und Lydia?«
»Den Mädchen geht es gut, sie lassen schöne Grüße ausrichten. Es war wirklich nett von dir, ihnen diese hübschen Kleider zu schicken. Vor allem Ella ist in einem Alter, wo ihr sehr wichtig ist, was sie trägt.«
»Mich hat es auch gefreut. Ich liebe Luc sehr, aber wenn ich ehrlich bin, hätte ich auch gerne noch eine Tochter gehabt. Hoffentlich bleibt mir während meines Aufenthalts hier genügend Zeit, um euch zu besuchen und die Mädchen zu sehen – wenn Lydia nichts dagegen hat, natürlich.«
»Lydia wird nichts dagegen haben.« Er wandte den Blick ab und sagte dann mit angespannter Stimme: »Dr. Brookes meint, es sei nicht damit zu rechnen, dass sie je wieder ganz gesund wird.«
»Oh, Jay.« Amber spürte seinen Kummer und empfand solches Mitgefühl, für ihn wie für seine Frau.
»Ich habe das Gefühl, als sei alles, was mit ihr passiert ist, meine Schuld. Wenn sie mich nicht geheiratet und die Kinder nicht bekommen hätte, wäre ihr Verstand vielleicht gesund geblieben. Die Leute sind immer so schnell bei der Hand, mich zu bedauern. Eigentlich ist es aber doch Lydia, die Mitleid braucht und auch verdient hätte. Lydias Stiefmutter hat mir bei ihrem Besuch an Weihnachten erzählt, dass Lydias Mutter eine Tante hatte, die an einem ähnlichen Zustand litt.«
»Das ist alles so schrecklich«, meinte Amber. »Aber du solltest dich nicht schuldig fühlen. Du konntest doch nicht wissen, dass das passieren würde. Niemand konnte das wissen. Es wäre auch passiert, wenn Lydia einen anderen geheiratet hätte.«
Ohne nachzudenken, legte Amber ihm in einer instinktiven Geste des Mitgefühls die Hand auf den Arm und wünschte sich dann, sie hätte es nicht getan, als sie durch die schäbige Tweedjacke hindurch seine Wärme spürte. Jay hatte so starke Arme, Arme, von denen man sich vorstellen konnte, dass sie einen sicher und warm hielten, Arme, die jede Frau gern um sich haben würde.
Schuldbewusst zog sie die Hand zurück.
»Ja«, meinte Jay. Er wusste, dass es der Wahrheit entsprach, und er wusste auch, dass er Amber die andere Wahrheit nicht verraten konnte: dass er Lydia nur geheiratet hatte, weil er sich moralisch dazu verpflichtet gefühlt hatte – und dass er sie geheiratet hatte, obwohl er Amber liebte.
Er hielt den Wagen vor dem Haus und wandte sich ihr zu. Die Sonne schien durch die heruntergekurbelten Fenster und heizte die Ledersitze auf; der Geruch nach Leder und Sonne, vermischt mit Jays Seifenduft, prägte sich so stark in Ambers Sinne ein, dass sie wusste, sie würde ihn nie vergessen.
Sie durfte nicht hier sitzen bleiben. Sie sollte hineingehen und Jay wegfahren lassen.
»Wie geht es mit dem Laden?« Es war falsch, die Zeit mit ihr zu verlängern, das wusste Jay, aber außer ihm würde ja nie jemand davon erfahren.
»Wirklich gut. Ich hatte ein wenig Angst, das, was ich mir vorgestellt hatte, könnte möglicherweise nicht funktionieren, aber es ist gut geworden. Es ist schrecklich viel Arbeit, aber es sieht so aus, als könnten wir im Spätherbst eröffnen. Ich habe eine sehr teure Anzeige in der Vogue gebucht – fast fünfzig Pfund, obwohl Cecil ein gutes Wort für mich eingelegt hat. Er wird auch die Fotos für die Anzeige machen – nur ein Bild des Fensters. Ich habe Robert dazu gebracht, mir – wenn auch eher widerwillig – zu erlauben, dass Cecil den Prunksalon auf Osterby für
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