Der Glanz der Seide: Roman (German Edition)
frisiert, und ihr Blick war scharf und klug wie immer.
Als Amber sich herabbeugte, um sie auf die Wange zu küssen, meinte Blanche trocken: »Dein neues Parfüm scheint mir, genau wie dein neues Kleid, mehr Stil als Substanz zu besitzen, Amber. In den schicken Cocktailbars in London wirst du mit beiden zweifellos Aufmerksamkeit erregen, aber ich habe das Gefühl, sie werden sich auf Dauer nicht halten. Wenn eine Frau ein neues Parfüm wählt, muss sie sich fragen, ob es wirklich dieser Duft ist, mit dem sie anderen in Erinnerung bleiben will.«
Amber hob als Reaktion auf diese Kritik die Augenbrauen.
»Das Parfüm hat mir Robert zu Weihnachten geschenkt. Er hat es speziell für mich mischen lassen, und das Kleid ist von Mainbocher.«
Amber hielt inne, als ihre Großmutter verächtlich schnaubte.
»Er ist im Augenblick sehr en vogue , weißt du. Die neue Königin hat gesagt, er sei ihr Lieblingsmodeschöpfer.«
»Nun, sie scheint mir recht anständig zu sein, ganz anders als diese geschiedene Amerikanerin. Aber nach allem, was ich gelesen habe, kommandiert sie ihren Ehemann genauso herum, wie diese Simpson Edward herumkommandiert hat.«
Blanche war offensichtlich in gereizter Stimmung und bereit, sich mit jedem anzulegen, der nicht ihrer Meinung war.
»Robert lässt sich entschuldigen, weil er mich nicht begleiten konnte.«
Sofort glättete sich Blanches Stirnrunzeln, genau wie Amber erwartet hatte. Die bloße Erwähnung ihres Ehemanns übte eine beruhigende Wirkung auf ihre Großmutter aus, wobei Amber insgeheim dachte, sie sollte entschiedener auftreten und sich nicht dauernd hinter dem armen Robert verstecken. Es wurde allmählich Zeit, dass sie auf eigenen Füßen stand.
»Hast du Greg schon gesehen?«, erkundigte sich Blanche.
»Nur flüchtig, gesprochen habe ich ihn noch nicht. Ich habe eben gesehen, wie er gekommen ist.«
»Zweifellos mal wieder angeheitert.« Blanches Stimme klirrte vor eisiger Missbilligung. »Ich habe dich wegen Greg gebeten, nach Macclesfield zu kommen, Amber.« Blanche hielt kurz inne und fuhr dann fort: »Ich hatte immer die Absicht, den Großteil meines Besitzes Greg zu hinterlassen. Du bist schließlich bestens versorgt, und Greg repräsentiert die männliche Linie der Familie. Doch angesichts seines Benehmens in letzter Zeit habe ich mein Testament geändert und dich zur Haupterbin eingesetzt. Ich hinterlasse dir das Haus und die Fabrik, dazu den Großteil des Barvermögens, das ich selbst geerbt habe. Natürlich sind daran gewisse Bedingungen geknüpft, etwa dass du deine Verantwortung deinem Cousin gegenüber nicht vernachlässigst.«
Amber war so schockiert, dass es ihr die Sprache verschlug. Damit hatte sie nun wirklich nicht gerechnet.
»Das kannst du doch nicht machen, Großmutter«, rief sie, sobald sie die Sprache wiedergefunden hatte. »Du hast immer gesagt, dass Greg alles erben soll, alle wissen das.«
»Und ich weiß, dass er sein Erbe verspielt oder an seine nichtsnutzigen Freunde verschleudert hätte, ehe ich ein Jahr im Grab liege. Als Begünstigte im Testament meines Vaters und meines Onkels lag es in meiner Verantwortung, mich gut um mein Erbe zu kümmern. Und dazu gehört, dass ich es an jemanden weitervererbe, von dem ich mir sicher bin, dass er es genauso handhaben wird wie ich. Ich habe immer geglaubt, Männer könnten besser mit Geld umgehen als Frauen. Im Fall deines Cousins liegt es jedoch auf der Hand, dass die einzige Umgangsform, die er bei Geld kennt, in dessen Verschwendung besteht, und das kann ich nicht zulassen. Kannst du dir vorstellen, was mit dem Haus und dem Besitz geschähe, wenn sie an Greg fielen?«
»Es ist sein Geburtsrecht«, beharrte Amber. »Davon ist er überzeugt, und du hast ihn immer in dieser Überzeugung bestärkt.«
»Wenn er auf mich gehört hätte, wäre es das immer noch.«
»Ich kann nicht annehmen, was eigentlich ihm zusteht«, meinte Amber entschlossen.
»Dann würdest du lieber zusehen, wie er die Fabrik schließt, denn genau das würde er tun, ja?«
Unter anderen Umständen hätte es Amber vielleicht amüsiert, dass ihre Großmutter die Fabrik, die sie eigentlich so verabscheute, nun auf diese Weise einsetzte.
»Wenn Greg die Fabrik loswerden wollte, würde Robert sie ihm sicher nur zu gern abkaufen.«
»Und das Landgut – du hättest also nichts dagegen, wenn es verwaiste und Jay entlassen würde? Das wäre ja ein schlechter Dank für seine Treue und harte Arbeit, vor allem, wenn man daran denkt, was
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