Der Glanz der Seide: Roman (German Edition)
schwachen Charakter hatte, wo sie sich doch so sehr gewünscht hatte, er wäre aus demselben Holz geschnitzt wie sein Vater?
Gregs Kammerdiener betrat den Raum, zum Glück ohne Luc.
»Ich denke, Robert wird einiges zu deiner Fahrlässigkeit zu sagen haben und wieso du nicht verhindert hast, dass Luc Zeuge von Gregs widerlicher, selbst zugefügter Entwürdigung wird«, sagte Blanche kalt zu Amber, als sie Gregs Zimmer verlassen hatten.
»Greg hat mir versprochen, die Finger davon zu lassen, solange er bei uns zu Gast ist«, antwortete Amber.
»Und du hast ihm geglaubt?«, erwiderte Blanche verächtlich. Amber hatte das irrationale Gefühl, ihren Cousin verteidigen zu müssen. »Er kann nicht anders, Großmutter. Er kann seine Sucht nicht kontrollieren.«
»Er ist ein korrupter Schwächling, der es nicht wert ist, den Namen seines Vaters zu tragen. Wenn ich gewusst hätte, was aus ihm wird …« Blanche schürzte die Lippen. »Man sagt uns dauernd, wir wären das schwache Geschlecht, Amber, aber in Wirklichkeit sind wir die Stärkeren, weil wir stark sein müssen.«
Amber war es nicht gewohnt, dass Blanche so offen mit ihr sprach und sie als ihresgleichen behandelte, und so wusste sie nicht, was sie sagen sollte.War es Blanches Eingeständnis der eigenen Verletzlichkeit oder ein Anerkennen von Ambers Reife?
»Und wir müssen stark sein, denn wenn ein Kind, in das wir große Hoffnungen gesetzt haben, diese nicht erfüllt, dann ist das eine schwere Bürde. Das wirst du auch noch erfahren.«
»Luc ist alles, was ich mir wünschen könnte, und mehr«, verteidigte Amber ihren Sohn sofort.
»Hüte dich vor Hybris, Amber. Sie fordert den schmerzlichsten Preis ein.«
39
Frühling 1937
»Soll ich wirklich nicht mit dir und Daddy mitkommen?«, fragte Amber ihren Sohn.
Es war das Ende der Osterferien. Sie standen im Flur des Hauses am Eaton Square, während Robert unten auf dem Platz das Personal beaufsichtigte, das Lucs Gepäck in den Wagen lud.
»Es ist besser, wenn du nicht mitkommst, Mummy«, erklärte Luc in freundlichem, aber sehr männlichem Tonfall. »Falls du anfängst zu heulen.«
Amber war hin- und hergerissen zwischen Lachen und Weinen. Luc war begeistert vom Internat, und er und Robert konnten sich stundenlang über diverse Knaben mit merkwürdigen Namen und Lehrer unterhalten, die Robert schon damals als Internatsschüler uralt vorgekommen waren, die aber immer noch da waren und jetzt Luc unterrichteten.
Robert hatte die dunklen Tage, die auf ihre Rückkehr von Berlin gefolgt waren, anscheinend hinter sich gelassen. Der Wendepunkt war mit der schockierenden Abdankung des Königs im Dezember gekommen, als Edward verkündet hatte, er gebe den Thron auf, um Wallis Simpson zu heiraten. Um Weihnachten herum war Robert fast wieder der Alte gewesen.
Ihr Geschäft war Woche für Woche besser gelaufen und hatte noch die optimistischsten Erwartungen übertroffen. Sie hatte einen zweiten jungen Mann namens Brett als Assistenten des Geschäftsführers eingestellt. An drei Vormittagen in der Woche empfing Amber im ersten Stock des Ladens Privatkunden oder besuchte sie bei sich zu Hause, wenn es sich um sehr wichtige Leute handelte.
Raumausstatter, Schreiner und andere Handwerker – alle in schicken Overalls in dem gedämpften Taubengrau des Ladens, in Weiß mit dem Schriftzug Silks und der Telefonnummer bestickt – arbeiteten unermüdlich, um die Räume der Kunden für die Raumtextilien vorzubereiten, die von bewährten Näherinnen in Heimarbeit hergestellt wurden.
Von unten hörte Amber, wie Robert verkündete, es sei nun an der Zeit aufzubrechen. In der Privatsphäre ihres Wohnzimmers war Luc immer noch jung genug, ihre Umarmung ebenso fest zu erwidern, doch Amber wusste, dass er sich vor Verlegenheit gewunden hätte, wenn sie dasselbe in der Öffentlichkeit versucht hätte. Sie war stolz auf ihn und glaubte in ihm bereits den Mann zu erkennen, der er einst sein würde. Doch sie vermisste auch ihren kleinen Jungen, ihr Baby. Wenn die Dinge anders gestanden hätten, hätte sie nichts lieber getan, als die kleine Rose unter ihre Fittiche zu nehmen, doch nachdem sie sich so viel um den Laden kümmern musste, hätte sie es einfach nicht fair gefunden, das kleine Mädchen in einem fremden Haushalt aufzunehmen.
Obwohl Rose inzwischen aus dem Gröbsten heraus war, zeigten ihre Maße – die Jay von den Kindermädchen bekam und an Amber weiterleitete, wenn diese Kleider für das Mädchen kaufen wollte -,
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