Der Glanz der Seide: Roman (German Edition)
Lionel erneuerten ihre Bekanntschaft auf einer Cocktailparty des Gouverneurs von Hongkong, die Greg, bis er auf Lionel stieß, für eine öde, steife Angelegenheit gehalten hatte.
Nachdem sie sich über ihre Erlebnisse seit Oxford ausgetauscht hatten – beiderseits in einer sorgfältig bearbeiteten Version -, stand fest, dass aus der einstigen Bekanntschaft eine Freundschaft werden sollte. Jardine, der nicht recht wusste, wie er einen gelangweilten jungen Mann unterhalten sollte, der ihm offen zu verstehen gegeben hatte, dass er weder arbeiten wollte noch musste, war anfangs erleichtert über die neue Kameradschaft.
Ein Großteil des gesellschaftlichen Lebens des britischen Hongkongs konzentrierte sich auf den Peak Club, wo jeder, der sich um eine Mitgliedschaft bewarb, genau unter die Lupe genommen wurde und wo Angehörigen gewisser Völker, auch des kantonesischen, niemals Zutritt gewährt werden würde. Tanztees und Bridge mit darauf folgendem Dinner waren im Club an der Tagesordnung, und auch wenn das alles ganz nett war, so gab es für junge Männer doch bessere Möglichkeiten, sich zu amüsieren, wie Lionel Greg eine Woche nach ihrem Wiedersehen erklärte.
Greg kapierte schnell.
»Ich könnte eine Frau brauchen«, sagte er freimütig. »Und zwar keine, die darauf wartet, dass man ihr einen Ring an den Finger steckt, wenn du verstehst, was ich meine.«
Das tat Lionel allerdings. Hongkongs komplexes System lizenzierter Bordelle für jede Art und jede Klasse von Freiern mochte inzwischen zwar gegen das Gesetz verstoßen, doch das bedeutete nicht, dass es aufgehört hatte zu existieren.
Die Prostitution wurde, wie so vieles in diesen Tagen, von den Triaden kontrolliert. Chinesische Mädchen wurden aus armen Dörfern nach Hongkong geschafft, manche wurden von dort aus nach Übersee verbracht, manche blieben in der Stadt, aber für alle wurde nur ein elend geringer Betrag bezahlt. Und im Lauf ihres kurzen Arbeitslebens brachten die Mädchen ihren »Besitzern« diesen Betrag vieltausendfach wieder herein.
Sobald Greg wusste, dass er seine Vorlieben und Bedürfnisse wie bei jeder x-beliebigen Warenbestellung nur aufzulisten brauchte, schlug sein anfängliches Zögern in ein beinahe übersteigertes Selbstbewusstsein um. Warum sollte man sich mit dem Geschmack einer einzigen Frucht begnügen, wenn man so viele verschiedene Sorten kosten konnte, und das zu einem so günstigen Preis? Bald schon dankte er Lionel für den Tipp und kostete die kriecherische Unterwürfigkeit der Bordellwirtinnen aus.
Eines von Gregs Lieblingshäusern war ein Etablissement der gehobenen Preisklasse, das auf wohlhabende Kundschaft abzielte. Für Nichteingeweihte sah das Shangri La von außen wie ein elegantes, diskretes Hotel aus. Ein Paar große, muskulöse Türsteher in goldblauer Uniform flankierten die geschnitzten Flügeltüren aus Satinholz, die sich erst auftaten, wenn man das aktuelle Passwort nannte. Neue Kunden mussten nach Madame S. fragen. Sobald man im reich geschmückten Gang stand, kam eine schöne Empfangsdame in einem so engen Cheongsam, dass sie wie hineingenäht aussah, verneigte sich und fragte den Kunden nach seinen Wünschen.
Das Bordell erstreckte sich über alle fünf Stockwerke des hohen, schmalen Hauses, und jeder Stock war einer speziellen sexuellen Praktik gewidmet, angefangen mit dem Keller, der für jene reserviert war, die sich an Sodomie erfreuten – im Keller deswegen, wie Lionel Greg grinsend erklärt hatte, weil der sich für die Tierhaltung am besten eignete.
Unter den Männern, die regelmäßig im Shangri La verkehrten, kursierte der makabre Witz, wenn aus den Imbissstuben rings um das Bordell Bratenduft aufstieg, habe ein Kunde seinem speziellen Vergnügen auf besonders gewalttätige Weise gefrönt.
Alle Stockwerke waren nach demselben Muster eingerichtet: ein paar individuelle Separees, manche mit großen Fenstern, damit auch Kunden mit voyeuristischen Neigungen auf ihre Kosten kamen, dazu ein großer Gemeinschaftsraum für geteilte Freuden.
Gregs Lieblingsprogramm bestand darin, zwei oder manchmal drei Mädchen zu bezahlen, damit sie ihn liebkosten und sich gleichzeitig aneinander vergnügten.
Vor allem ein Mädchen hatte es ihm dabei angetan, eine große, breitschultrige Blondine aus Skandinavien mit vollen, hohen Brüsten und enormen Brustwarzen, die ihren umgeschnallten Dildo immer mit besonderer Begeisterung in die anderen Mädchen stieß.
Die ebenfalls im Keller angesiedelten
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