Der Glanz des Mondes
ins Wasser ein.
In den frühen Morgenstunden erreichten wir Oshima. Ein weißer Nebel stieg vom Meer auf und Fumio meinte, dass es in den folgenden Tagen genauso sein würde, da die Luft inzwischen kühler wurde. Es passte perfekt zu unserem Plan. Wir verbrachten den Tag auf der Insel, deckten uns aus den Vorräten der Piraten mit neuem Proviant ein und nahmen mehr von Teradas Männern an Bord; sie waren mit Schwertern, Messern und einer Vielzahl anderer Waffen ausgerüstet, von denen ich die meisten noch nie zuvor gesehen hatte.
Als es Abend wurde, gingen wir zum Schrein und brachten Ebisu und Hachiman Opfer dar, beteten für eine ruhige See und den Sieg über unsere Feinde. Die Priester gaben uns Muschelhörner für jedes Schiff und verhießen uns Glück, was die Männer ermutigte, obwohl Fumio alles mit einer gewissen Skepsis aufnahm, seine Feuerwaffe tätschelte und murmelte: »Die hier verheißt mir meiner Meinung nach mehr Glück!« Ich dagegen war einfach froh, zu irgendeinem Gott beten zu können, wissend, dass all diese Götter nur unterschiedliche, von Menschen geschaffene Gesichter ein und derselben Wahrheit waren.
Der Mond, es war eine Nacht vor Vollmond, ging über den Bergen auf, als wir Richtung Hagi in See stachen. Diesmal fuhren Kenji, Taku und ich zusammen mit Ryoma in seinem kleineren, schnelleren Boot. Ich überließ Zenko der Obhut Fumios, dem ich von der Abstammung des Jungen erzählt und klar gemacht hatte, wie wichtig es war, dass Arais Sohn am Leben blieb. Kurz vor Tagesanbruch begannen sich die Nebel zu bilden und verbargen uns, während wir uns der schlafenden Stadt näherten. Das Krähen der ersten Hähne hallte über die Bucht und von Tokoji und Daishoin läuteten die Morgenglocken herüber.
Mein Plan war, direkt zum Schloss vorzustoßen. Ich hatte nicht vor, meine Stadt zu zerstören oder mit ansehen zu müssen, wie die verschiedenen Lager des Otoriclans sich gegenseitig bekämpften und Blut mit Blut rächten. Meine Überlegung war, die Otorilords sofort zu töten oder gefangen zu nehmen, denn dann bestand die Chance, dass der Clan sich lieber geschlossen auf meine Seite schlug, als sich zu spalten. Die Otorikrieger, die sich uns bereits angeschlossen hatten, pflichteten mir bei. Viele hatten darum gebeten, mich begleiten zu dürfen, um bei unserem Rachefeldzug dabei zu sein.
Sie alle hatten negative Erfahrungen gemacht, waren schlecht behandelt, beleidigt und verraten worden. Doch mein Ziel war, leise und unbemerkt ins Schloss einzudringen. Ich würde nur Kenji und Taku mitnehmen. Alle anderen stellte ich unter Teradas Oberbefehl.
Der Pirat brannte förmlich darauf, alte Rechnungen zu begleichen. Ich hatte ihm ein paar Anweisungen erteilt: Die Schiffe durften nicht vor Tagesanbruch an Land gehen. Dann sollte die Flotte mit den Muschelhörnern Signal geben und sich durch den Nebel nähern. Der Rest blieb ihm überlassen. Ich hoffte, ich würde die Stadt davon überzeugen können, sich zu ergeben; falls nicht, würden wir uns durch die Straßen bis zur Brücke vorkämpfen und sie für Arais Armee frei machen.
Das Schloss war auf einem Kap zwischen Fluss und Meer errichtet worden. Von meinem Besuch am Tage meiner Adoption wusste ich, dass die Residenz zur Seeseite lag, wo eine hohe Mauer, die als unüberwindbar galt, direkt aus dem Wasser aufragte.
Kenji und Taku hatten ihre Wurfhaken und Waffen des Stamms dabei. Ich hatte ein Kurzschwert, ein paar Wurfmesser und Jato.
Der Mond ging unter und der Nebel wurde dichter. Ryomas Boot glitt lautlos auf die Küste zu und stieß mit einem kaum wahrnehmbaren dumpfen Schlag an die Schlossmauer. Einer nach dem anderen erklommen wir die Mauer und wurden unsichtbar.
Über unseren Köpfen hörte ich Schritte und eine Stimme rief: »Wer da? Nenn deinen Namen!«
Ryoma antwortete im Dialekt der Fischer von Hagi: »Bloß ich. Hab mich ein bisschen verirrt bei dem verdammten Nebel.«
»Du hast ein bisschen zu viel gesoffen, meinst du wohl!«, antwortete ein Zweiter. »Mach, dass du fortkommst. Wenn der Nebel sich verzieht und wir dich sehen können, kriegst du einen unserer Pfeile zu spüren!«
Das platschende Geräusch der Ruder entfernte sich, ich gab den anderen beiden - die ich beide nicht sehen konnte - mit einem leisen Zischen ein Zeichen und wir begannen zu klettern. Es ging nur langsam voran: Die Mauer, die zweimal am Tag von der Flut umspült wurde, war mit Algen bedeckt und rutschig. Aber wir kletterten Zentimeter für Zentimeter
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