Der Glanz des Mondes
einstürzenden Gebäuden waren die Schreie der Frauen zu hören und das augenblickliche Knistern von Feuer.
Die Veranda prallte mit solcher Wucht zurück auf die Erde, dass Kaedes Körper erzitterte. Der Boden neigte sich schräg nach hinten Richtung Haus und über ihrem Kopf barst splitternd das Dach. Ihre Augen waren voller Stroh- und Staubteilchen. Einen Moment lang glaubte sie eingeschlossen zu sein, dann sah sie, dass sie herausklettern konnte, und begann die seltsame schiefe Ebene hinaufzukrabbeln, die die Veranda gebildet hatte. Über den Rand blickend, sah sie wie im Traum, wie Shizuka ihre Hände aus ihren Fesseln zog, einem der Wachen zwischen die Beine trat, ihm das Schwert abnahm und ihm den Hals aufschlitzte. Kondo hatte Murita bereits einen Hieb verpasst, der ihn nahezu in der Mitte spaltete.
Fujiwara lag hinter Kaede, halb bedeckt vom herabgestürzten Dach. Sein Körper war verdreht und er schien nicht aufstehen zu können, aber er streckte die Hand nach ihr aus und packte sie am Fußgelenk; es war das erste Mal, dass er sie berührte. Seine Finger waren kalt, sein Griff unentrinnbar. Durch den Staub musste er husten. Seine Kleidung war schmutzig und unter dem üblichen Parfüm roch er nach Schweiß und Urin, doch als er sprach, klang seine Stimme so ruhig wie immer.
»Wenn wir sterben müssen, dann lass uns gemeinsam sterben«, sagte er.
Hinter ihm konnte sie die Flammen hören, raschelnd und zischend wie ein lebendiges Wesen. Der Rauch wurde dichter, stach ihr in den Augen und überdeckte alle anderen Gerüche.
Sie zog und trat gegen seine Finger, die ihren Fuß umklammerten.
»Ich wollte dich einfach besitzen«, sagte er. »Du warst das schönste Geschöpf, das ich je gesehen hatte. Ich wollte, dass du mir gehörst und sonst niemandem. Ich wollte deine Liebe zu Takeo steigern, indem ich dich zwang sie zu verleugnen, damit ich die Tragik deines Leidens mit dir teilen konnte.«
»Lassen Sie mich los!«, schrie sie. Sie spürte die Hitze des Feuers. »Shizuka! Kondo! Helft mir!«
Shizuka war voll und ganz mit den anderen Wachmännern beschäftigt, kämpfte wie ein Mann. Ishidas Hände waren immer noch an den Pfahl gefesselt. Kondo streckte einen der Wachtposten von hinten nieder, drehte sich nach Kaede um und kam mit großen Schritten auf das Haus zugelaufen. Mit einem Sprung landete er auf dem Absatz der Veranda.
»Lady Otori«, sagte er. »Ich werde Sie befreien. Laufen Sie in den Garten, zu den Teichen. Shizuka wird sich um Sie kümmern.« Er kletterte hinab und durchtrennte mit voller Absicht Fujiwaras Handgelenk. Der Edelmann brüllte vor Schmerz und Wut, seine Hand löste sich von Kaedes Fußgelenk und fiel herunter.
Kondo schob sie nach oben, über den Absatz. »Nehmen Sie mein Schwert. Ich weiß, dass Sie sich verteidigen können.«
Er drückte es ihr in die Hand und fügte hastig hinzu: »Ich habe Ihnen die Treue geschworen. Es war ernst gemeint. Ich würde niemals zulassen, dass jemand Ihnen Leid zufügt, solange ich lebe. Aber für jemanden wie mich war es ein Verbrechen, Ihren Vater zu töten. Und es ist ein noch schlimmeres Verbrechen, einen Edelmann anzugreifen und ihn zu töten. Ich bin bereit, dafür zu zahlen.«
Er warf ihr einen Blick zu, bar jeder Ironie, und lächelte. »Laufen Sie!«, sagte er. »Laufen Sie! Ihr Mann wird kommen, um Sie zu holen.«
Kaede wich zurück. Sie sah, wie Fujiwara versuchte sich aufzurichten, das Blut strömte aus seinem Armstumpf. Kondo schlang seine langen Arme um den Adeligen und hielt ihn fest. Die Flammen durchschlugen die dünnen Wände und erreichten die beiden Männer, hüllten sie ein, bis sie nicht mehr zu sehen waren.
Hitze und Schreie stürzten von überall her auf Kaede ein. Er brennt, alle seine Schätze brennen, schoss es ihr durch den Kopf. Sie glaubte Kumiko in dem Inferno schreien zu hören und wollte irgendetwas tun, um sie zu retten, aber als sie die Richtung zum Haus einschlug, zog Shizuka sie zurück.
»Sie brennen!«
Kaede ließ das Schwert fallen; ihre Hände hoben sich vergeblich zum Kopf, als die Flammen ihr geöltes Haar entzündeten.
KAPITEL 11
Die Sonne war untergegangen, und über der ruhigen See stieg der Mond auf und warf ein silbernes Band aufs Meer, dem unsere Flotte folgte. Es war so hell, dass ich hinter der Küste, die wir verließen, deutlich die Bergkette erkennen konnte. Die Flut plätscherte unter den Kielen der Schiffe und die Segel flatterten im ablandigen Wind. Gleichmäßig tauchten die Ruder
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