Der Glanz des Mondes
meinem Versteck geblieben.«
»Wie heißt du?«
»Sugita Hiroshi, Sohn des Hikaru.«
»Wohnst du in Maruyama?«
»Ja, mein Onkel, Sugita Haruki, ist der oberste Gefolgsmann der Maruyama.«
»Du kommst am besten mit uns«, sagte ich. »Weißt du, wer wir sind?«
»Ihr seid Otori«, sagte er und lächelte dabei zum ersten Mal, ein mattes, schwaches Lächeln. »Das sehe ich an euren Wappen. Ich glaube, ihr seid die, auf die wir die ganze Zeit gewartet haben.«
»Ich bin Otori Takeo und dies ist Miyoshi Kahei. Meine Frau ist Shirakawa Kaede, die Erbin dieser Domäne.«
Er sank auf die Knie. »Lord Otori. Lord Miyoshis Bruder kam zu meinem Onkel. Sie ziehen Truppen zusammen, weil mein Onkel sich sicher ist, dass Iida Nariaki Lady Shirakawa ihr Erbe nicht kampflos überlassen wird. Er hat Recht, nicht wahr?«
Kahei klopfte ihm auf die Schulter. »Geh und verabschiede dich von deinem Vater. Und nimm sein Schwert mit. Es gehört jetzt dir. Wenn die Schlacht vorüber ist, werden wir ihn nach Maruyama bringen und ihn mit allen Ehren beerdigen.«
Dieselbe Erziehung hätte ich auch gern genossen, dachte ich, während ich zusah, wie Hiroshi mit dem Schwert zurückkehrte, das fast so lang war wie er selbst. Meine Mutter hatte mich gelehrt, keiner Krabbe ihre Scheren abzureißen, keinem Lebewesen Schmerzen zuzufügen, aber diesem Kind hier war von Geburt an beigebracht worden, weder Tod noch Grausamkeit zu fürchten. Ich wusste, dass Kahei den Mut des Jungen schätzte, er war genauso erzogen worden. Wenn ich die nötige Härte nach meiner Ausbildung durch den Stamm noch immer nicht besaß, würde ich sie nie aufbringen. Mir blieb wohl nichts anderes übrig, als sie vorzutäuschen.
»Sie haben alle unsere Pferde weggetrieben!«, rief Hiroshi, als wir an den leeren Ställen vorbeikamen. Wieder zitterte er, aber diesmal wohl eher vor Wut als vor lauter Angst.
»Wir holen sie zurück und noch ein paar mehr«, versprach ihm Kahei. »Du reitest mit Jiro und hältst dich im Hintergrund.«
»Nimm ihn mit nach hinten zu den Frauen und sag Manami, sie soll sich um ihn kümmern«, sagte ich zu Jiro, als ich ihm Shun abnahm und wieder aufstieg.
»Ich brauche keinen, der sich um mich kümmert!«, rief der Junge, als Kahei ihn auf Jiros Pferd hob. »Ich will mit euch in die Schlacht ziehen!«
»Pass auf, dass du mit diesem Schwert nicht aus Versehen jemanden umbringst«, lachte Kahei. »Wir sind deine Verbündeten, vergiss das nicht!«
»Der Angriff kam offenbar völlig überraschend«, sagte ich nach einem kurzen Bericht über das, was wir erfahren hatten, zu Makoto. »Der Grenzposten war kaum besetzt.«
»Oder die Streitkräfte Maruyamas rechneten bereits damit und haben alle verfügbaren Truppen zurückgezogen, um einen Hinterhalt zu bilden oder auf günstigerem Boden anzugreifen«, entgegnete er. »Kennst du die Beschaffenheit der Landschaft auf dem Weg zur Stadt?«
»Ich war noch nie hier.«
»Und deine Frau?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Dann hol diesen Jungen lieber wieder her. Er ist vielleicht der Einzige, der uns führen kann.«
Kahei rief Jiro hinterher, der sich noch nicht sehr weit entfernt hatte. Hiroshi freute sich, wieder zurückzudürfen, und er wusste erstaunlich viel über das Gelände und die Befestigung der Stadt. Maruyama war eine Hügelfestung; an den Hängen und am Fuße des kreisförmigen Hügels lag eine ziemlich große Siedlung. Ein kleiner Fluss mit starker Strömung versorgte sie mit Wasser und speiste ein weit verzweigtes Netz von Kanälen, in denen es von Fischen wimmelte. Die Festung verfügte über eigene Wasserquellen. Die Außenmauern der Stadt waren früher gut in Stand gehalten worden und unbeschränkt zu verteidigen gewesen, aber seit Lady Maruyamas Tod und den Wirren, die auf Iidas Sturz folgten, hatte man sie nicht mehr regelmäßig ausgebessert und es gab nur noch wenige Wachtposten. Tatsächlich spaltete sich die Stadt in die Anhänger Sugitas, die Kaede unterstützen, und diejenigen, die es praktischer fanden, sich der Windrichtung des Schicksals nicht entgegenzustellen und die Herrschaft Iida Nariakis und seiner Frau anzuerkennen, deren Ansprüche, wie sie sagten, ebenfalls nicht unberechtigt seien.
»Wo ist dein Onkel jetzt?«, fragte ich Hiroshi.
»Er wartet unweit der Stadt mit all seinen Männern. Er wollte sich nicht zu weit von ihr entfernen, für den Fall, dass die Angreifer versuchen sollten, sie hinterrücks einzunehmen. Das hörte ich jedenfalls meinen Vater
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