Der Glanz des Mondes
sich ihm von der Flanke und hofft auf dem Weg seinen Bruder und Lord Sugita zu treffen. Amano wird euch in den Wald führen - ihr müsst dort warten, bis ich euch hole.«
Amano verneigte sich. Kaede schien Anstalten zu machen, etwas zu erwidern, doch dann neigte auch sie den Kopf. »Möge die ewig Barmherzige mit dir sein«, flüsterte sie, meinen Blick suchend. Sie beugte sich leicht vor und sagte: »Eines Tages werde ich an deiner Seite in die Schlacht ziehen!«
»Wenn ich dich in Sicherheit weiß, kann ich mich ganz und gar auf den Kampf konzentrieren«, erwiderte ich. »Außerdem musst du die Aufzeichnungen in deine Obhut nehmen.«
»Ein Schlachtfeld ist nicht der rechte Ort für eine Frau!«, sagte Manami und verzog dabei ängstlich das Gesicht.
»Nein«, erwiderte Kaede. »Ich wäre nur im Wege. Ach, wäre ich doch nur als Mann geboren!«
Die Heftigkeit, mit der sie es sagte, brachte mich zum Lachen. »Heute werden wir die Nacht in Maruyama verbringen!«, versprach ich.
Das Bild ihres lebhaften, furchtlosen Gesichtsausdrucks ließ mich den ganzen Tag nicht los. Ehe wir vom Tempel aufgebrochen waren, hatten Kaede und Manami Banner mit dem Reiher der Otori, dem weißen Fluss der Shirakawa und dem Hügel von Maruyama genäht, die wir nun auf unserem Weg durchs Tal entrollten. Obwohl wir in den Kampf zogen, verschaffte ich mir einen Eindruck vom Zustand der Domäne. Die Felder machten einen hinreichend fruchtbaren Eindruck und hätten längst geflutet und bepflanzt sein müssen, aber die Erdwälle waren eingebrochen und die Gräben verstopft mit Unrat und Schlamm.
Neben den deutlichen Anzeichen von Verwahrlosung hatte die Armee, die uns vorauseilte, Land und Höfe aller Dinge beraubt, derern sie habhaft werden konnte. Kinder weinten am Straßenrand, Häuser brannten, und hier und da lagen Tote, beiläufig ermordet, ohne ersichtlichen Grund, liegen gelassen, wo sie gestorben waren.
Zuweilen, wenn wir ein Gehöft oder eine Siedlung passierten, erschienen überlebende Männer und Jungen und stellten uns Fragen. Sobald sie erfuhren, dass wir den Tohan auf den Fersen waren und ich ihnen erlauben würde zu kämpfen, strömten sie begeistert herbei und ließen unser Heer um etwa hundert Mann anschwellen.
Etwa zwei Stunden später, eine gute Weile nach Mittag, um den Beginn der Stunde der Ziege, vernahm ich in einiger Entfernung vor mir die Geräusche, auf die ich die ganze Zeit gehorcht hatte: das Krachen von Stahl, wiehernde Pferde, Schlachtrufe und die Schreie der Verwundeten. Ich gab Makoto ein Zeichen und er ließ anhalten.
Shun stand reglos da, die Ohren nach vorn gerichtet, ebenso aufmerksam lauschend wie ich. Er beantwortete das Wiehern nicht, als wäre ihm klar, dass wir uns ruhig verhalten mussten.
»Sugita muss sie hier erwartet haben, wie der Junge sagte«, murmelte Makoto. »Aber kann Kahei bereits dazugestoßen sein?«
»Wer immer es ist, es ist eine größere Schlacht«, erwiderte ich.
Vor uns tauchte die Straße in die Schlucht ab. Die Baumwipfel wiegten ihr frisches Laub in der Frühlingssonne. Über dem gedämpften Schlachtengetümmel hörte ich den Gesang der Vögel.
»Die Bannerträger reiten mit mir voran«, sagte ich.
»Du solltest nicht an der Spitze reiten. Halte dich in der Mitte, wo es sicherer ist. Sonst bist du ein zu leichtes Ziel für Bogenschützen.«
»Es ist mein Krieg«, erwiderte ich. »Also ist es nur recht, wenn ich der Erste bin, der auf das Schlachtfeld zieht.« Meine Worte mochten ruhig und gemessen klingen; tatsächlich aber war ich nervös, sehnte den Beginn des Kampfes und zugleich sein Ende herbei.
»Ja. Es ist dein Krieg, und nur um deinetwillen folgt dir jeder hier. Umso mehr liegt uns daran, alles für deinen Schutz zu tun!«
Ich wendete mein Pferd und sah die Männer an. Urplötzlich empfand ich Mitleid mit denjenigen, die sterben würden, doch zumindest hatte ich ihnen Gelegenheit gegeben, wie Männer zu sterben, für ihr Land und ihre Familien zu kämpfen. Ich rief die Bannerträger herbei, und als sie voranritten, strafften die Banner sich im leichten Wind. Ich betrachtete den weißen Reiher und betete zu Shigerus Geist, spürte, wie er von mir Besitz ergriff, mir unter die Haut schlüpfte, mir in Sehnen und Knochen fuhr. Ich zog Jato und seine Klinge blitzte in der Sonne auf. Die Männer antworteten mit Johlen und Hochrufen.
Ich wendete Shun und ließ ihn kantern. Ruhig und kraftvoll preschte er vorwärts, als ritten wir zusammen über eine Wiese. Das
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