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Der Glanz des Mondes

Der Glanz des Mondes

Titel: Der Glanz des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
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umklammerte immer noch das Schwert, aber die Klinge war sauber. Hinter ihm lagen zwei andere, auf dem Rücken; ihre Kleider waren fleckig von den letzten Entleerungen ihrer Gedärme, aber nicht blutig.
    »Sie wurden erdrosselt«, sagte ich zu Kahei und erschauerte. Nur die Angehörigen des Stamms benutzten Garrotten.
    Er nickte, drehte einen der Toten um und betrachtete das Wappenzeichen auf seinem Rücken. »Maruyama.«
    »Wie lange sind sie tot?«, fragte ich ihn und ließ meinen Blick durch den Raum schweifen. Zwei der Männer waren völlig überrascht worden, den dritten hatte man erstochen, ehe er sein Schwert ziehen konnte. Ich spürte die Wut in mir aufsteigen, es war dieselbe, die ich damals in Hagi den Wachtposten gegenüber empfunden hatte, als sie Kenji in den Garten gelassen hatten und als ich mich an ihnen vorbei nach draußen geschlichen hatte, eine Wut über die Einfalt der gewöhnlichen Menschen, die sich durch den Stamm so leicht an der Nase herumführen ließen. Sie waren beim Essen überrascht worden, von Attentätern ermordet, ehe auch nur einer von ihnen fliehen konnte, um eine Warnung vor der einfallenden Armee weiterzugeben.
    Kahei hob den Kessel von der Stelle auf, wo er hingeschleudert worden war. »Kaum noch warm.«
    »Wir müssen sie einholen, ehe sie die Stadt erreichen.«
    »Los!«, sagte Kahei und seine Augen leuchteten vor Erregung.
    Doch als wir uns zum Gehen wandten, vernahm ich ein Geräusch, das aus dem kleinen, hinter dem Wachhaus gelegenen Lagerraum kam. Ich bedeutete Kahei still zu sein und ging zur Tür. Hinter ihr war jemand, der seinen Atem anzuhalten versuchte und trotzdem deutlich Luft holte, am ganzen Körper zitternd, und sein Ausatmen mündete in etwas, das fast wie ein Schluchzen klang.
    In einer einzigen Bewegung öffnete ich die Tür und trat ein. Der Lagerraum war voll gestopft mit Reissäcken, Holzregalen, Waffen und landwirtschaftlichen Geräten.
    »Wer ist da? Komm heraus!«
    Es gab ein raschelndes Geräusch und eine kleine Gestalt brach hinter den Reissäcken hervor und versuchte durch meine Beine hindurch ins Freie zu entwischen. Als ich sie packte, sah ich, dass es ein Junge von vielleicht zehn oder elf Jahren war, mit einem Messer in der Hand. Ich bog seine Finger auseinander, bis er es mit einem Aufschrei fallen ließ.
    Er zappelte in meiner Umklammerung, sichtlich bemüht, sein Schluchzen zu unterdrücken.
    »Halt still! Ich werde dir nichts tun.«
    »Vater! Vater!«, rief er.
    Ich trieb ihn vor mir her ins Wachhaus. »Ist einer von denen hier dein Vater?«
    Sein Gesicht war weiß geworden, sein Atem ging stoßweise, und Tränen standen ihm in den Augen, doch er kämpfte immer noch darum, nicht die Beherrschung zu verlieren. Der Junge war zweifellos der Sohn eines Kriegers. Er betrachtete den Mann, den Kahei aus dem Feuer gezogen hatte, bemerkte die furchtbare Wunde, die leblosen Augen und nickte.
    Dann lief sein Gesicht grünlich an. Ich zog ihn durch die Tür nach draußen, damit er sich übergeben konnte.
    In dem Kessel war noch ein wenig Tee. Kahei goss ihn in eine der Schalen, die heil geblieben waren, und reichte sie dem Jungen.
    »Was ist geschehen?«, fragte ich.
    Ihm klapperten die Zähne, doch er bemühte sich normal zu sprechen, wodurch seine Stimme lauter tönte als beabsichtigt. »Zwei Männer kamen durch das Dach. Sie erwürgten Kitano und Tsuruta. Ein dritter durchtrennte die Stricke und trieb die Pferde davon. Mein Vater rannte ihnen hinterher, und als er wieder zurückkam und das Wachhaus betrat, schlitzten die Männer ihn mit ihren Messern auf.«
    »Und wo warst du?«
    »Ich habe mich im Lagerraum versteckt, ich schäme mich so. Ich hätte sie töten sollen!«
    Kahei grinste über den Zorn in dem kleinen Gesicht. »Du hast das Richtige getan. Werd erst erwachsen und töte sie dann!«
    »Beschreib mir, wie die Männer aussahen«, sagte ich.
    »Sie trugen dunkle Kleidung und bewegten sich vollkommen lautlos. Und sie haben irgendeinen Trick angewandt, so dass man sie nicht sehen konnte.« Er spuckte verächtlich aus. »Hexerei!«
    »Und die Armee, die hier durchgeritten ist?«
    »Iida Nariaki von den Tohan, zusammen mit einigen Seishuu. Ich habe ihre Wappen erkannt.«
    »Wie viele?«
    »Hunderte«, berichtete er. »Es dauerte lange, bis sie alle passiert hatten. Aber es ist nicht lange her, dass die letzten durchritten. Ich habe abgewartet, bis alle fort waren. Und dann wollte ich gerade herauskommen, als ich Sie hörte, deswegen bin ich in

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