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Der Glanz des Südsterns: Roman (German Edition)

Der Glanz des Südsterns: Roman (German Edition)

Titel: Der Glanz des Südsterns: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haran
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diesen Worten verließ Elena das Haus und rannte ins Hospital.
    »Sie sind früh dran heute«, sagte Deirdre zu Elena, als sie ihr auf dem Krankenhausflur begegnete und auf die Uhr sah. »Ihre Schicht beginnt doch erst in einer Stunde.«
    »Ich musste einfach aus dem Haus«, erwiderte Elena, noch völlig außer Atem. Sie war den ganzen Weg gerannt. Aber kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, bekam sie ein schlechtes Gewissen. »Ist das Mrs. Pettigrove?«, fragte sie, um sich abzulenken. Sie schaute auf die Station.
    »Ja, sie hat Fieber, und Dr. Thompson findet offenbar die Ursache dafür nicht.«
    Mrs. Pettigrove war die reizendste alte Dame der Stadt – und Wintons älteste Einwohnerin. Sie war überaus stolz auf ihr Alter, und dazu hatte sie alles Recht. In ein paar Tagen sollte sie ihren hundertsten Geburtstag feiern. Alle mochten sie, die Leute in der Stadt hatten ein großes Fest anlässlich ihres Geburtstages vorbereitet.
    Elena trat ans Bett der alten Dame und nahm ihre winzige, zerbrechliche Hand mit der papierdünnen, durchscheinenden Haut in ihre. Als ehemalige Modistin sah man Laura Pettigrove selten ohne eine ihrer Hutkreationen, die meist mit einem ins Auge fallenden Blumenarrangement verziert waren. Damit bedeckte sie ihr spärliches, feines Haar und schützte den Kopf vor der Sonne.
    »Guten Tag, Laura«, sagte Elena laut, denn die alte Dame hörte schwer.
    Laura Pettigrove öffnete ihre blauen Augen. Sie war stolz auf ihr noch gutes Sehvermögen. »Hallo, Liebes«, sagte sie wehmütig lächelnd, als sie Elena erkannte. »Was machen Sie denn hier?«
    »Ich arbeite hier, wissen Sie das denn nicht mehr? Also werde ich mich von jetzt an um Sie kümmern. Und was machen Sie hier?«
    »Ich bin mir nicht sicher. Robert hat mich hergebracht.« Robert war ihr Sohn, er war auch schon über achtzig und recht hinfällig. »Er meint, ich müsse mich mal ausruhen.« Sie schloss die Augen wieder.
    »Na schön, ausruhen dürfen Sie sich, aber wir wollen, dass Sie schnell wieder auf den Beinen sind.«
    Neil trat mit einigen Unterlagen an das Bett der alten Dame. »Bitte haben Sie heute Abend ein wachsames Auge auf Mrs. Pettigroves Temperatur, Elena«, sagte er. »Wenn das Fieber steigt, reiben Sie sie mit einem Schwamm ab.«
    »Das mache ich, Doktor«, versprach Elena.
    »Wenn es Ihnen nichts ausmacht, Elena, hätte ich meine Abreibung mit dem Schwamm lieber von dem hübschen Doktor«, sagte Mrs. Pettigrove. Sie hatte die Augen noch geschlossenen, kicherte aber schelmisch.
    »Na, na, schön artig sein«, wies Neil sie grinsend zurecht. Er war an Lauras Sinn für unzüchtigen Humor gewöhnt. Dabei wusste er, dass sie in Wirklichkeit so sittsam war wie eine Dame aus viktorianischer Zeit. Sie trug sogar immer ein Korsett. Aber Laura tat gern, als sei das Gegenteil der Fall, sie liebte es, jüngere Männer erröten zu sehen. Neil senkte die Stimme. »Sie ist längst nicht so schwerhörig, wie sie tut«, sagte er und zwinkerte Elena zu.
    »Stimmt, das bin ich nicht«, sagte Mrs. Pettigrove und lächelte.
    »Haben Sie schon eine Diagnose gestellt?«, fragte Elena Neil, als sie wieder auf dem Korridor waren.
    »Nein, ich habe ihr Blut untersucht. Eine Entzündung scheint nicht vorzuliegen, also bin ich einigermaßen ratlos.«
    Elena sah, dass er sich Sorgen machte. Sie blieb fast den ganzen Abend bei Laura Pettigrove und beobachtete sie aufmerksam. Neil hatte ihr mehrfach Herz und Lungen abgehorcht. Er hatte Urinproben genommen, aber keine Spur einer Entzündung gefunden.
    Gegen zehn Uhr wurde Laura im Schlaf unruhig. Sie rang nach Atem. »Fühlen Sie sich nicht wohl, Laura?«, fragte Elena sanft.
    Laura umklammerte ihre Hand. »Nein, mir geht es nicht so gut, Liebes«, keuchte sie.
    »Ich möchte, dass Sie jetzt langsam ganz tief Luft holen«, wies Elena Laura an und fühlte ihre Stirn, um zu prüfen, ob das Fieber wieder gestiegen war.
    »Ich glaube, mein Geburtstagsfest erlebe ich nicht mehr, Elena«, sagte Laura mit rauer Stimme. »Aber versprechen Sie mir, dass es trotzdem stattfindet und alle sich gut amüsieren. Und versprechen Sie mir, dass Sie den Hut tragen werden, den ich mir für diesen Tag gemacht habe.«
    Elena war erschüttert. »Natürlich werden Sie das Fest noch erleben und Ihren schönen Hut selbst tragen. Sie werden tanzen, das verspreche ich Ihnen. Ihr Geburtstagsfest wird das größte, das es je in dieser Stadt gegeben hat. Alle freuen sich schon darauf. Betty Harris macht für Sie einen ihrer

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