Der Glanz des Südsterns: Roman (German Edition)
gestehen.«
»Wusste meine Mutter, dass Sie zu Hause in Schottland eine Freundin hatten?«, wollte Marcus wissen. Er glaubte nicht, dass das der Fall war, aber er wollte Lyle auf die Probe stellen.
»Nein, das wusste sie nicht. Das hätte ich ihr natürlich sagen sollen, aber ich wollte sie auf keinen Fall verletzen. Ich weiß, das war ein Fehler von mir. Als ich nach Schottland zurückkam, war Millies Vater gerade schwer erkrankt, und sie machte sich große Sorgen um ihn. Es war nicht der rechte Zeitpunkt, ihr das Herz zu brechen, also fuhr ich nach Blackpool zurück. Kurz nach meiner Rückkehr war der Krieg zu Ende. Alle waren außer sich vor Freude, nur deine Mutter hatte gerade erfahren, dass ihr Vater sie mit einem Mann verheiraten wollte, den er eines Tages mit nach Hause gebracht hatte. Ihr Vater hatte auch schon Pläne geschmiedet, dass sie alle nach Australien auswandern sollten. Elena war schrecklich verstört. Sie suchte mich in meiner Pension auf. Es war ein unglaublich bewegender Moment, und wir wurden schließlich intim miteinander. Wir machten Pläne für eine gemeinsame Zukunft. Denn das wollten wir beide. Dann fuhr ich nach Hause, um mich von Millie zu trennen. Ehe ich ihr noch alles sagen konnte, erzählte sie mir, sie erwarte ein Kind von mir. Sie hatte gehofft, ich sei glücklich darüber, aber ich war am Boden zerstört. Ich zog ernsthaft in Erwägung, sie zu verlassen und meinen Plan, deine Mutter zu heiraten, in die Tat umzusetzen.«
»Wieso haben Sie es nicht getan?«
»Mein Vater, der auch Arzt und ein sehr kluger Mann war, überzeugte mich davon, dass ich mich anständig verhalten musste. Und er hatte Recht. Tief im Innern wusste ich, dass ich mein Kind nicht im Stich lassen konnte, aber ich liebte deine Mutter doch so sehr.«
»Aber dann haben Sie sich doch von ihr getrennt«, sagte Marcus.
»Nicht sofort. Zu dem Zeitpunkt, als ich wieder nach Blackpool zurückfuhr, war deine Mutter schwer an der Spanischen Grippe erkrankt. Hunderte von Grippepatienten verloren wir damals im Krankenhaus. Tag und Nacht saß ich an ihrem Bett und betete zu Gott, sie möge am Leben bleiben. Ich redete ihr gut zu, sie müsse leben, damit wir zusammen sein könnten. Ich weiß, ich war in dem Moment nicht ehrlich, aber ich wollte, dass sie einen guten Grund hatte, gegen die Krankheit anzukämpfen, der so viele andere erlagen. Und es funktionierte. Aber dann kam Millie ins Krankenhaus. Sie wollte wissen, wieso ich nicht nach Hause käme, denn der Krieg war ja nun aus, und sie machte Pläne für unsere Hochzeit. Deine Mutter sah uns miteinander reden. Ich hatte mir vorgenommen, ihr die Wahrheit zu sagen, wenn sie gesund genug wäre, das Ganze zu verkraften, aber sie stellte Fragen über Millie, also musste ich ihr sofort die Wahrheit sagen. Sie meinte, ich solle gehen und Millie heiraten. Sie sagte, ich müsse mich dem Baby gegenüber anständig verhalten. Ich weiß, es brach ihr das Herz. Es brach auch mir das Herz.«
»Und hätten Sie von mir gewusst, was hätten Sie dann getan?«, fragte Marcus.
Lyle warf Marcus einen traurigen Blick zu, denn er hatte gerade an Jamie gedacht. »Ich hätte deine Mutter geheiratet, aber ich hätte alles in meiner Macht Stehende getan, um Millie und meinen Sohn zu unterstützen. Vielleicht, Marcus, gab es ja einen Grund, weshalb sich alles so entwickelte, wie es gekommen ist.«
»Wie meinen Sie das?«
»Ich hatte zwölf Jahre mit meinem Sohn, und diese Jahre sind etwas sehr Kostbares für mich.«
»Wieso nur zwölf Jahre? Haben Sie ihn in England bei Millie gelassen?« Marcus bemerkte ein Aufflackern von Schmerz in Lyles Blick, aber er verstand das nicht.
»Nein, ich habe ihn nicht verlassen. Er hat uns verlassen. Er starb an seinem zwölften Geburtstag.«
Marcus war entsetzt. »Wie ist das passiert?«
»Er war mit dem Fahrrad unterwegs, das ich ihm zum Geburtstag geschenkt hatte, als ein Lastwagen ihn erfasste und überfuhr.« Lyle musste tief Luft holen, über diesen Unfall zu sprechen, bewirkte einen heftigen Gefühlsaufruhr bei ihm.
»Das ist wirklich schlimm«, sagte Marcus. Lyle tat ihm aufrichtig leid.
»Ich weiß ja, dass ich für dich hätte da sein sollen, Marcus, aber ich danke Gott, dass ich immerhin zwölf Jahre mit meinem Jamie verbringen durfte. Und ich hoffe, du begreifst das.« Marcus nickte. »Deine Mutter wusste wahrscheinlich nicht, dass sie schwanger mit dir war, wegen der Grippesymptome. In den ersten Wochen hat sie nichts davon gemerkt. Aber
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