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Der Glanzrappe

Der Glanzrappe

Titel: Der Glanzrappe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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Kleider, die den Sachen glichen, mit denen sich der kleine Mann verkleidet hatte. Jemand hatte die Schubladen der Kommode herausgezogen und den Inhalt über den Boden verteilt. Überall lagen Sachen, Schuhe und Kleider, mehr, als eine ganze Familie je besitzen konnte.
    Auf dem Bett lagen ein Frauenstrohhut und ein Spitzentaschentuch, daneben eine Pfeifensammlung und ein Fächer aus Truthahnfedern. Auf der anderen Seite des Betts entdeckte er die Frau, der die Kleider gehört hatten. Sie saß am Boden, den Rücken an die Wand gelehnt. In ihrem Hals steckte ein Messer, der Griff ragte aus der Wunde, und die Gedärme quollen ihr über den Schoß und die gespreizten Beine. Sie war skalpiert, die Kopfhaut aufgeschnitten und vom Schädel gerissen. Was er sah, scho ck ierte ihn nicht. Was hier geschehen war, erfüllte ihn nicht m it Grauen. Es erinnerte ihn an seine eigene Wunde, und er riß einige saubere Kleidungsstücke in Streifen, mit denen er sich in den nächsten Tagen den Kopf verbinden wollte.
    In einem anderen Zimmer stieß er auf mechanisches Spielzeug. Bunt bemalte gußeiserne Kaninchen, die kleine Blechtrommeln schlugen, und Vögel, die mit den Flügeln flatterten und ein kleines blechernes Liedchen pfiffen, wenn man sie mit einem Schlüssel am Rücken aufzog. Ein Affe, der ein Messingbecken scheppern ließ, Kornett spielende Spielzeugsoldaten in leuchtendroten Mänteln und blauen Hosen, winzige Uhren mit Schlagwerk und Spieldosen, so klein, daß sie in eine Hand paßten. An der Wand zwei Bettchen, in denen sich noch die Umrisse der kleinen Körper abzeichneten, die darin gelegen hatten.
    Als er wieder hinaustaumelte ins Freie, konnte er gar nicht genug frische Luft bekommen. Im Stall entdeckte er ein kleines dickes Pony mit schlammfarbenem Schweif. Er fand einen Eimer voll Achsenfett und schmierte eine Handvoll auf seinen Kopfverband. Dann betrachtete er die rußigen Reste des Brunnenhauses und überlegte, ob er ein paar Blumen pflücken und sie in den Schacht werfen sollte. Er wußte, was zu tun war, obwohl er so etwas noch nie gemacht hatte. Dann überlegte er, ob er noch mal ins Haus zurückgehen und ein paar Spielzeuge in den schwarzen Steinschlund fallen lassen sollte. Er fragte sich, warum ihn das nach allem, was er schon erlebt hatte, so bewegte. Warum hielt er inne und dachte über Gesten nach, die sein Mitgefühl für die tote Familie zum Ausdruck brachten? Er hatte diese Frau und ihre Kinder nicht gekannt. Er wußte nicht, zu wem sie gehörten und ob s ie gute Menschen waren oder nicht. Die Kinder waren sicherlich keine schlechten Menschen gewesen, und auch die Frau nicht, doch was bedeuteten sie ihm? Wäre die Bleikugel besser gezielt gewesen, dann wäre er jetzt da, wo sie waren. Dann wäre er tot.
    An diesem Morgen nahm er sich Zeit zum Essen, schlachtete eine Gans und riß ihr die Brusthaut auf. Er löste mit dem Messer ein Stück von der Brust und grillte es in der Feuerstelle. Die anderen Gänse sahen ihm dabei zu. Er fand eingelegtes Gemüse und einen Tontopf mit gepökeltem Schweinefleisch, und er entdeckte Zündhütchen und passende Kugeln, aber keine Waffe dazu.
    Beim Essen wunderte er sich nicht über das, was alles passiert war, sondern er überlegte, wie er es einzuordnen hatte. Er wußte, was im Brunnen war, und auch, wie nah er selbst daran gewesen war, dort zu enden. Er hatte sich ziemlich dumm angestellt und nahm sich fest vor, in Zukunft besser aufzupassen. Er erinnerte sich daran, wie der alte Morphew zu ihm gesagt hatte, daß er noch viel zu lernen hätte und daß er hoffentlich lange genug leben würde, um davon zu erzählen.
    Er beschloß weiterzuleben, ohne es wirklich beschließen zu können. Er wußte es einfach. Eine innere Stimme sagte ihm, daß es so sein würde. Irgend etwas in seinem Kopf zog sich zusammen. Er spürte Schmerz, und seine Mutter sagte immer, Schmerz ist Schwäche, die aus dem Körper entweicht. Er würde etwas essen und sich dann auf die Suche nach der Armee machen, und falls er den kleinen Mann und den Glanzrappen fand, wußte er genau, was er tun würde, und wenn er es getan hätte, würde er sich nicht bei dem Pferd entschuldigen. Das schwor er s ich. Er würde sich nicht bei dem Pferd entschuldigen, auch wenn es hundertmal recht gehabt hatte mit seinem Mißtrauen gegenüber dem kleinen Mann.
    Als er gegessen hatte, griff er in die Mähne des kleinen Pferds mit dem schlammfarbenen Schweif, des Ponys der Kinder, schwang das Bein über seinen Rücken und

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