Der Glanzrappe
saß auf. Das Pony scheute und setzte sich fast auf die Hinterhand, so schlecht war es erzogen, aber mit seinen Händen und Beinen und mit Worten, die er ihm zuflüsterte, machte ihm Robey klar, daß es jetzt nicht mehr sich selbst gehörte. Es gehörte jetzt ihm. Er blieb sitzen und wartete ab, bis das Pony unter ihm sein Gleichgewicht fand. Er wünschte sich von ganzem Herzen, daß dieser Augenblick vorbeiging und der nächste kam und daß er bald wieder gesund wäre und klüger als zuvor. Er lernte seine Lektionen, er war noch am Leben und dachte sich, daß es etwas wert war.
»Los«, sagte er zu dem Pony. »Geh los.«
Wie faul das Pony auch sein mochte, als er ihm die Absätze in die Seiten bohrte, verstand es und marschierte gehorsam los, um dann in einen ungleichmäßigen Zockeltrab zu fallen.
In einem Sack hatte er ein Glas Melasse, getrocknete Pfirsiche, eine Rehkeule und schwarze Walnüsse mitgenommen. Er hatte Kaffeebohnen und Maismehl dabei. Hinter jedem Bein baumelte eine Gans am Hals. Er ritt nach Norden, den Hufspuren des Glanzrappen folgend.
5 HEUSCHRECKEN SIRRTEN
d urch die heiße, trockene Luft, und die Landstraßen waren so staubig, daß er Probleme beim Atmen bekam. Er ritt den ganzen Tag durch das dünnbesiedelte Land, legte sich schlafen, stand bei Sonnenaufgang wieder auf und ritt weiter. Mit dem blutverkrusteten Stoffetzen um den Kopf sah er so elend aus, daß es ihm nicht mehr nötig erschien, den Menschen aus dem Weg zu gehen.
Er kam durch Städte, wo die Leute vors Haus traten und ihm nachsahen, als wäre er eine ganze Armee, anderswo blieb er hingegen völlig unbemerkt, weil die Menschen beschäftigt waren, zum Markt oder zur Kirche gingen oder beim Spiel und im Gespräch beieinandersaßen. Am Straßenrand standen Kinder, älter als er, und starrten ihm nach, und bis auf die Haut abgemagerte Hunde folgten ihm hechelnd durch die Hitze und den Staub. Das Pony erwies sich als störrisches, verschlagenes Tier, es war ständig beleidigt und ließ wie ein verzogenes Kind seine Launen an ihm aus. Wenn er nicht aufpaßte, trat es nach ihm und versuchte ihn ins Knie zu beißen, doch er blieb ruhig und war entschlossen, ihm mit Tritten in die Flanke möglichst viele Meilen abzuringen.
Sein Kopf pochte heftig in der trockenen Hitze. Schmerzen durchzogen ihn, liefen in Wellen vom Kopf über den Hals hinab bis in die Schultern, aber er war auf dem Weg d er Besserung, das spürte er. Er wußte, es war normal, daß ihn Schmerz um Schmerz durchzuckte, diese Schmerzattacken immer heftiger wurden, um dann, nach ein paar Tagen, langsam abzuklingen. Hinter dieser Erfahrung des Schmerzes entdeckte er einen Zustand, in dem sein Verstand sich auf den Ratschlag der Mutter und die Existenz des Vaters besann und so zu neuer Klarheit fand. Er hatte ein schlechtes Gewissen, weil er alle Ratschläge seiner Mutter in den Wind geschlagen hatte. Doch andererseits: Wäre er ihren Anweisungen gefolgt, dann hätte er knapp eine Meile hinter dem Laden des alten Morphew seinen Weg zu Fuß fortsetzen müssen. Er beschloß, aus den bisherigen Erfahrungen seine Lehren zu ziehen. Es war reiner Zufall, daß er noch am Leben war, und von jetzt an würde er alles neue Wissen rasch und begierig aufnehmen.
Der Boden enthielt mehr und mehr Kalkgestein, das Grün wurde dunkler, und dann quoll frisches Wasser zwischen den Steinen hervor, das er trinken und mit dem er sich waschen konnte. In den nächsten Tagen hielt er oft an, um seine Wunde zu säubern und frisch zu verbinden. Die Schmerzen in seinem Kopf zogen von dort bis in die Brust und den Rücken hinab, und beim Abnehmen der Binde fuhr er jedesmal zusammen, wenn er den Schorf und das verkrustete Blut auf der verheilenden Wunde ab r iß.
In Richtung Osten wurden die Straßen sumpfiger. Im Nordwesten lag eine Bergkette, die zu seiner Linken ver b laßte, als er weiter in Richtung Sonnenaufgang ritt, aufs Meer zu. Als das Pony schlappmachte, band er es einfach irgendwo im Dunkeln an, drang in einen Stall ein und s tahl zum ersten Mal ein Pferd, eine kupferfarbene Scheckstute, und führte es geräuschlos weg. Danach war es gar nicht mehr so schwer, und bald überkam ihn bei jeder sich bietenden Gelegenheit das Bedürfnis, sich ein neues Reittier zu besorgen. Die kupferfarbene Stute tauschte er gegen ein großes cremefarbenes Pferd ein und dieses gegen einen breitschultrigen Fuchsschimmel mit Überbiß und den dann, als er Spat
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