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Der Glanzrappe

Der Glanzrappe

Titel: Der Glanzrappe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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aher Robey sagte noch immer nichts. Er dachte, soll sich der Alte ruhig aussprechen.
    Der alte Mann führte seinen Monolog weiter, plapperte vor sich hin und fragte hin und wieder, ob Robey ihm noch zuhöre. Er hielt ihn für einen jungen Soldaten und erzählte davon, wie er als junger Mann in Spanien unter Napoleon gekämpft hatte. Um zu überleben, hatte er Pferdefleisch gegessen und einmal sogar den Unterarm eines toten Menschen. Das Fleisch hatte ihm gut geschmeckt, und er hatte sich geschworen, nie mehr davon zu essen, weil er Angst hatte, er könnte Gefallen daran finden.
    »Ich konnte gar nicht genug davon bekommen«, sagte er und spekulierte, daß er nach seinem Tod bestimmt in die Hölle käme, weil er Menschenfleisch gegessen und noch viele andere Sünden begangen hatte, und bei diesem Gedanken mußte er lachen.
    Vom Scheunentor drang noch immer der dumpfe Klang der Steine herüber. Aus dem Stall waren das Quieken der Schweine und heftiges Rumpeln zu hören. Die Schlangen ließen eine nach der anderen den Kopf sinken, und die gebrochenen Körper hingen schlaff herab. Die Jungen be w arfen sie weiter mit Steinen, bis die blutleeren Fetzen auf den spreubedeckten Boden fielen.
    »Hörst du mir noch zu?« fragte der alte Mann.
    Nach einem tiefen Atemzug bejahte Robey die Frage.
    »Du hast auch schlimme Dinge getan«, sagte der Alte. »Böse Menschen können miteinander reden. Böse Menschen verstehen sich. Das wissen wir seit Tausenden von Jahren, aber es ändert nichts.«
    »Nein«, sagte Robey und bedauerte im selben Augenblick, daß er etwas gesagt hatte. »Ich hab nichts Schlimmes getan«, fügte er an und merkte, daß ihn seine Stimme Lügen strafte.
    »Bis jetzt vielleicht noch nicht«, sagte der Alte. »Aber das kommt noch. Du lernst gerade eine der Lektionen des Lebens. Welche genau, weißt du noch nicht, aber du wirst es schon noch herausfinden.«
     
    IN EINER ANDEREN STADT war ein Baseballspiel in Gang, und weil er noch nie eins gesehen hatte, hielt er an und schaute zu. Als man auf ihn aufmerksam wurde, ritt er weiter und war froh, daß nur geistlose Rinder und streunende Hunde seinen Weg kreuzten.
    Unterwegs dachte er weiter über all das nach, was ihm der alte Mann so erzählt hatte. Daß er nichts mehr wert sei und niemandem mehr nütze, weil er voller Verzweiflung und Verzweiflung sinnlos sei in Zeiten wie diesen. Er hatte ihm gesagt, Robey solle seine Wut behalten, denn Wut sei nützlicher als Verzweiflung, sie würde ihn ans Ziel bringen. Wer verzweifele, würde mit Sicherheit scheitern und in einer Tragödie enden.
    Es waren die Worte eines Verrückten, doch er konnte sich ihnen nicht versperren. Sie hatten sich in seinem Kopf festgesetzt, und er wurde sie nicht mehr los. Das war Schicksal, dachte er. Dann dachte er, wie gern die Menschen doch redeten und redeten. Das galt auch für ihn, und bei dem Eingeständnis, wie verwirrt sein eigener Verstand war, mußte er kichern. Erschreckt blieb sein Pferd stehen und warf den Kopf herum. Er beruhigte es und legte die Hand auf die Pistole mit dem langen Lauf, die in s einem Gürtel steckte. Dieses sonderbare Fabrikat hatte ihm der brabbelnde Alte geschenkt.
    Er setzte seinen Weg fort, orientierte sich an den Gerüchten von großen Armeen, die angeblich weiter im Osten an den Ufern eines Flusses Stellung bezogen hatten. In den folgenden Tagen irrte er weiter durch diese Landschaft des Krieges, und als eines Nachts ein kalter Wind über das offene Land fegte, suchte er Zuflucht in einem ausgebrannten Haus.
    Nachdem er sein Pferd angebunden hatte, trat er so vorsichtig ein wie jemand, der die Stabilität der Bodenbretter prüfen will. Draußen rauschten sanft die Bäume. Die Pumpe im Hof hatte er zunächst für die schwarze Silhouette einer menschlichen Gestalt gehalten, und auch als er seinen Irrtum erkannt hatte, warf er immer wieder einen mißtrauischen Blick hinaus auf den Hof und zu den Bäumen, wo der Braune angebunden war.
    Er zündete die Talgkerze einer Stallaterne an und schlich von Zimmer zu Zimmer; und nachdem er sich davon überzeugt hatte, daß niemand außer ihm im Haus war, machte er im Kamin ein kleines Feuer, das den Raum bald mit seinem warmen Schein erhellte. Er legte sich auf den Holzboden, und die Wärme ließ langsam die Schmerzen des Tages aus seinen Gliedern schwinden. Eine ausgebrannte Treppe führte hinauf in den ersten Stock, und von der verkohlten Decke hing ein herrlicher Kronleuchter mit Behang, der aussah wie

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