Der Glanzrappe
und nur der Wind und die Bäume wären seine Zeugen. »Gib mir das Pferd, oder ich jag ihm eine Kugel durch den Kopf.«
Später erinnerte er sich an einen betäubenden Schlag gegen den Schädel, dann konnte er den Schuß herausfiltern, und schließlich sah er vor seinem inneren Auge den kleinen Mann mit der Waffe in der Hand. Er wußte noch, daß er ungläubig den Kopf geschüttelt hatte, als sich der Revolver auf ihn richtete, daß er selbst eine Waffe in der Hand gehabt und damit einen Schuß in den Boden vor s einen Füßen gefeuert hatte und daß sich dann sein Gehirn verkrampfte. Sein Kopf war explodiert, und obwohl er kein Hell oder Dunkel wahrnahm, bemerkte er eine Verfinsterung, und dann war da nur noch pulsierendes Schwarz und schließlich nur noch Schwarz.
Als er wieder zu Bewußtsein kam, war es dunkle Nacht, und am Himmel funkelten die Sterne. Er verstand nicht, was mit ihm passiert war, wußte aber, daß er nichts tun konnte. Es mochten Tage vergangen sein, er konnte es nicht sagen, weil ihm jedes Zeitgefühl abhanden gekommen war. Und auch das Gefühl für den Ort fehlte ihm a ußer daß er wußte, daß über ihm der Himmel und unter ihm die Erde war. Sein Kopf schien zerbrochen, von den Schultern gehoben und vom Hals abgelöst, und doch verursachte er heftige Schmerzen, die seinen ganzen Körper in eisernem Griff hielten.
Die Kugel hatte eine Furche in seinen Schädel geschlagen, und die Kopfhaut blutete heftig. Alles war blutgetränkt, sein Haar, sein Nacken, seine Schultern, und noch immer sickerte Blut in den Boden unter ihm.
Mein Blut ist jetzt auf der anderen Seite meiner Haut, dachte er benommen.
Ihm war schwindlig, und er hatte keine Kontrolle über seinen Magen. In diesen panischen Momenten hoben und senkten sich seine Gedärme und drohten sein ganzes Leben auszustoßen. Und wirklich. Das Heben und Senken ließ nicht mehr nach, und sein Körper schüttelte sich in unwillkürlichen Krämpfen. Die Anfälle kamen regelmäßig, einer löste stets den nächsten aus. Selbst als sein Magen leer war, ging es weiter, bis er schließlich völlig ausgelaugt war. Er hatte bereits sein Leinenhemd zerrissen und so gut es ging um den verletzten Kopf gewi ck elt.
»Mehr kann ich nicht tun«, keuchte er, an niemanden Bestimmtes gerichtet.
Ihm wurde übel, und dann packte ihn ein starker Schwindel. Um nicht umzukippen, legte er sich zitternd zurück. Er wollte sich einrollen wie ein unschuldiges Kind, doch er wußte, daß er diesen Zustand nie wieder erreichen würde. Er legte sich flach auf den kühlen Boden, die Welt hörte auf, sich zu drehen, und er wartete darauf, erneut das Bewußtsein zu verlieren.
Als er schließlich aufstand, zur Veranda ging und die Schwelle der zerbrochenen Tür überschritt, war es taghell. Gänse watschelten hinter ihm her, verfolgten alle seine Bewegungen, als wäre er der Eindringling in ihr Haus.
Drinnen herrschte ein heilloses Durcheinander, das der kleine Mann hinterlassen hatte. Überall lagen Werkzeugteile, Stiefel, zerrissenes Papier und Kerzengießformen, als hätte ein Sturm sie aus den offenen Schränken und Schubladen gerissen. In der Mitte der beiden Räume befand sich ein Ofen, mit dem die große Küche und das Wohnzimmer gleichzeitig beheizt wurden. An der Wand hing ein Abreißkalender.
Im Wohnzimmer stand ein offener Kamin mit schwerem Eichensims. In der gemauerten Feuerstelle waren die verbrannten Reste einer aufgespießten Gans zu erkennen. Der Teppich war mit Daunen übersät und mit Gänsekot verschmiert, und überall lagen Scherben von zerbrochenem Geschirr. Bei jedem Schritt wirbelte er eine weiße Wolke auf, genug Daunen, um eine Bettdecke damit zu f üllen. Die Gänse schauten jedes Mal auf und streckten ihre Hälse zu ihm hin, als erwarteten sie eine Erklärung.
Als er die Treppe hinaufging, strich er mit den Fingern über die geprägte Tapete. Als er oben angekommen war, verschwamm ihm alles vor Augen, und eine Woge von Schmerz durchfuhr ihn, zwang ihn, sich für einen Augenblick hinzusetzen. Er schaute nach unten und sah, daß sich die Gänse vor der Treppe versammelt hatten. Er schloß die Augen, öffnete sie wieder, und für kurze Zeit wurde sein Blick klar. Er stand auf und ging den Flur entlang.
Im Schlafzimmer standen ein einfaches Holzbett mit gedrechselten Bettpfosten und einem schweren Federbett auf einer dicken Strohmatratze und in der Ecke ein vollgestopfter Kleiderschrank. Aus den Türen, die schief aus den Angeln hingen, quollen
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