Der Glanzrappe
bekam, gegen einen kräftigen raunen, der nicht mehr viel sah. So wurde er ein geschickter Pferdedieb.
Seine Wunde trocknete schnell, die Haut wuchs zusammen und bildete Narbengewebe, das an der Kopfhaut zog. Er war sehr lichtempfindlich, und sein Auge schloß sich von allein, obwohl er dagegen ankämpfte.
Mit seiner Verletzung, dem entstellten Gesicht und den unauffälligen Pferden kam er gut durch Gegenden, in denen Menschen lebten, diese Welt aus Frauen, kleinen Jungen und alten Männern. Man bot ihm etwas zu essen und zu trinken an, und offensichtlich sah er so jämmerlich aus, daß die Leute auch dann nichts sagten, wenn sie das Pferd wiedererkannten. Er nahm die Lebensmittel an und fragte nach den Armeen, und während er darauf widersprüchliche Informationen erhielt, erinnerte sich so mancher doch genau an den pechschwarzen Hengst, wegen seiner Schönheit und auch wegen der eigenartigen kleinen Frau mit der Maiskolbenpfeife, die auf ihm geritten war.
In diesen schmerzhaften Tagen konnte er den Mann erkennen, zu dem er sich entwickeln würde. Er ertrug seine Wunde und den Schmerz als Zeichen dafür, daß auch er von dem Wahnsinn erfaßt war, der das ganze Land schüttelte. Er schreckte nicht mehr vor den Menschen zurück, nicht vor den einsamen Reitern und auch nicht vor den eingefangenen Sklaven, die nach Süden getrieben wurden. Ihre Gegenwart auf den Straßen machte ihm keine Angst mehr, und diesen Wandel verstand er. Er hatte überlebt, war nicht gestorben. Er atmete. Und doch, das war erst der Anfang, er war noch nicht alt genug, um all die Veränderungen zu begreifen, konnte selbst diese Gedanken kaum verstehen.
Seit er der Frau mit den Gänsen begegnet war, wirkte das Land unheimlich auf ihn. Was neu und schön gewesen war, schien jetzt alt und seltsam, unvertraut und falsch. In einer kleinen Stadt setzte er sich auf ein Mäuer c hen und sah zu, wie ein paar Jungen seines Alters in sauberen Leinenhemden mit steifen, gestärkten Kragen aus einem Picknickkorb Kupferkopfottern zogen und sie mit dem Schwanz an die Wand einer Scheune nagelten, auf die ein Totenschädel mit gekreuzten Knochen gemalt war. Als der Junge mit dem Hammer und den Nägeln, der einen Kopf größer war als die anderen, den Befehl dazu gab, ließen alle ihre Schlangen los und rannten mit großem Gejohle davon.
Die Ottern zappelten an der Tür, baumelten herab, zogen sich wieder hoch und wanden sich umeinander. Sie rissen das Maul auf, entblößten ihre Giftzähne und bissen sich gegenseitig, in der Annahme, die Ursache ihrer Schmerzen zu treffen. Die Jungen klatschten sich lachend auf die Schenkel. Dann warfen sie aus sicherer Entfernung Steine nach den Schlangen.
Ein alter Mann mit grauen Haarbüscheln auf dem Schädel kam auf der Suche nach dem Grund für das dumpfe Krachen um die Ecke. In einer Hand trug er einen verzinkten Eimer, in der anderen einen Kautschukgehstock, den er drohend gegen die Jungen schwenkte, als wollte er sie für ihr groteskes Spiel bestrafen. Sie lachten ihn aus und begannen, die Steine in seine Richtung zu werfen. Der Alte zog den Kopf ein und trat stolpernd den Rückzug an, wobei die weiße Farbe im Eimer über den Rand auf sein Hosenbein schwappte.
Dann fand er sein Gleichgewicht wieder und humpelte davon, kam auf Robey zu und setzte sich neben ihn auf das Mäuerchen. Unvermittelt nahm er in der Art, wie es alte und verwirrte Menschen tun, einen Gesprächsfaden auf und erzählte Robey von seiner Frau, die vor kurzem gestorben war, und daß sein Herz jetzt voller Trauer sei, und in der Stadt würden ihn viele für verrückt halten, denn er hatte es an den Nerven, weil er jetzt allein war und er und seine Frau doch eigentlich gemeinsam sterben wollten.
»Ihre Augen haben immer so herrlich gestrahlt«, sagte er.
Der alte Mann besaß noch alle Zähne, was bemerkenswert war für sein Alter, aber sie schienen direkt aus dem Kiefer zu ragen und formten mit den dünnen Lippen eine Art Schnabel. Er mußte niesen, und als er die Hand wieder öffnete, waren die Finger von Schleim benetzt.
»Die Jungs sind wirklich ganz besonders dumm«, meinte er, aber Robey reagierte nicht, verharrte wortlos ohne jedes Nicken oder Schulterzucken. An der Stelle, an der sie saßen, waren die Steine warm von der Sonne und nicht sonderlich unbequem. Er hatte nichts gegen den Alten, und der schien ruhiger zu werden, weniger aufgeregt.
»Ihre Zeit kommt noch früh genug«, fuhr er fort. Die Worte quollen aus dem spitzen Mund,
Weitere Kostenlose Bücher