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Der Glanzrappe

Der Glanzrappe

Titel: Der Glanzrappe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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bewußt, daß er gefressen hatte wie ein ausgehungertes Tier und seine Mutter das sicher mißbilligt hätte, und er dachte, wie schön es wäre, seine Mahlzeiten eines Tages wieder anders zu sich zu nehmen.
    »Bald wieder«, seufzte er und setzte sich dicht ans Feuer, erschöpft von diesem Akt des Heißhungers und zugleich erstaunt darüber, wie schnell das Essen verspeist war. Er wußte, daß er zum Schlafen nach oben klettern oder sich nach unten verkriechen sollte oder ins Freie gehen und bei seinem Pferd übernachten. Die Geräuschlosigkeit der plötzlichen Windstille machte ihn mißtrau i sch.
    Aber sein Magen war gefüllt, und er war müde und wollte nur noch schlafen, er war schon so lange wachsam. Als er die Augen schloß, zuckten feurige Pfeile vor seinen Lidern. Der Schlaf kam und senkte sich langsam auf ihn, überwältigte ihn wie ein erdrückendes Gewicht, gegen das er sich nach Kräften zu wehren versuchte. Es ließ ihn Schmerz und Niederlage spüren und dann Erleichterung, und schließlich kam er nicht mehr dagegen an und brach unter ihm zusammen.
    Als ihm der Kopf auf die Brust fiel, nahm er wahr, daß das Feuer im Kamin ausgegangen war und nur noch die Asche glomm. Die Puppe mit dem Porzellangesicht war neben dem Feuer zusammengesunken, als hätte auch sie der Schlaf übermannt. Er setzte sie wieder aufrecht hin, und als er aufstand und seine schmerzenden Glieder reckte, konzentrierte er sich auf das schwache Geräusch, das ihn geweckt hatte. Ein Muskel in seinem Magen begann zu flattern. Dann hörte er, daß das Geräusch von draußen kam. Es waren ein Mann, der einen Ochsen antrieb, und dann das Kratzen einer Schleppbahre auf dem harten Boden und schließlich die dünne und wehleidige Stimme einer Frau, die ihre mißliche Lage beklagte. Robey stieß mit dem Fuß ins Feuer und trat die Funken aus. Dann raffte er, so schnell es ging, seine Sachen zusammen, und weil sie schon fast im Hof waren, konnte er nur noch an den verkohlten Stützbalken hinaufklettern in den ersten Stock.
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
    6 AM OBEREN ENDE DER TREPPE
    k onnte er durch das offene Dach den Himmel sehen, während der verwüstete erste Stock im Schatten der Giebelmauern lag. Dort oben unter den Sternen war die Nacht nicht so dunkel, und er beobachtete von seinem Standpunkt im Schatten der Mauern aus, wie ein abgehärmter Ochse auf das Haus zutrottete. Neben dem Tier gingen ein Mann und ein Mädchen, und auf der ruckelnden Schleppbahre lag eine unförmige Frau, die sich auszuruhen schien. Als der Ochse anhielt, richtete sie sich mühsam auf. Sie schob die Hände unter ihren schweren Bauch und hob ihn an, als würde sie damit sich selbst anheben. Das Mädchen kam ihr zu Hilfe, und die Frau dankte ihr dafür. Der Mann sagte, er habe hier Rauch aufsteigen sehen und den Duft von Speck und Kaffee gerochen. Er schnupperte übertrieben in der Luft, und im nächsten Augenblick wurde er von einem schlimmen Hustenanfall geschüttelt, der tief aus seiner Brust kam. Er war stabil gebaut, hatte kräftige Handgelenke, einen Stiernacken und breite Schultern. Sein Bauch hatte die Form einer Trommel, und er schaute mit dem arroganten Blick eines Raubvogels um sich.
    »Schür den Herd an«, befahl er dem Mädchen und schubste sie in Richtung Tür. Sie kam ins Stolpern und schickte ihm einen Fluch über die Schulter. Dann führte d er Mann auch die Frau ins Haus, und Robey verfolgte vom ausgebrannten Obergeschoß aus, wie die gespenstischen Gestalten unter ihm umhergingen, als würden sie von etwas angetrieben.
    Das Mädchen schaute prüfend auf die Glut, die er in der Feuerstelle hinterlassen hatte, und sah sich kurz um, sprach den Mann und die Frau aber nicht darauf an. Mit einem eisernen Schürhaken stocherte sie in der Glut, bis eine Flamme aufflackerte. Dann warf sie eines der Holz k istchen hinein. Im ersten Lichtschein, der sie umspielte, konnte er ihr Gesicht nicht erkennen, weil es von den Haaren verborgen wurde. Doch als sie ihr Haar raffte und es auf eine Seite warf, sah er, wie schmal und hohlwangig sie war.
    »Ich fürchte, wir sind am Ende«, stöhnte die Frau. Sie streckte die Arme vor, als suche sie nach Halt, und bewegte sich auf die Wärme des Feuers zu. Ihre Hände fanden den Weg für sie, auf dem nackten Holzboden ging sie in die Knie, stützte sich ab und ließ sich auf die linke Hüfte sinken.
    »Hol die Taschen«, forderte der Mann das Mädchen auf.
    Es war ein schroffer Ton, und sie reagierte, als

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